Kolumne "Zur Sache"

Die Zukunft des IPCC

Prof. Dr. Jochem Marotzke, Max-Planck-Institut für Meteorologie und Vorstandsvorsitzender des DKK

Jochem Marotzke

Der fünfte Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC nähert sich seiner Vollendung. Der Berichtsteil der Arbeitsgruppe 1 zu den wissenschaftlichen Grundlagen ist soeben erschienen, die Teile von Arbeitsgruppe 2 zu Klimafolgen und Arbeitsgruppe 3 zur Vermeidung des Klimawandels sowie der übergreifende Synthesebericht werden im Laufe dieses Jahres fertig gestellt. Bereits jetzt beginnen daher Überlegungen darüber, wie die Arbeit des IPCC in Zukunft gestaltet werden soll. Und tiefgreifende Änderungen sind notwendig, um den Prozess effizienter zu gestalten.

Als Koordinierender Leitautor eines Kapitels in Arbeitsgruppe 1 und Leitautor in deren Zusammenfassung für Entscheidungsträger sowie im Synthesebericht habe ich in den vergangenen vier Jahren vielleicht ein Viertel meiner Arbeitszeit für den IPCC-Bericht aufgebracht. Für diesen Arbeitseinsatz bin ich intellektuell reichhaltig belohnt worden. Das kollektive Ringen mit den besten Klimaforschern der Welt um eine umfassende und genaue Darstellung dessen, was wir heute über das Klimageschehen wissen, war eine faszinierende Erfahrung. Der daraus entstandene Bericht ist effektiv: er liefert den Lesern das, was er soll – eine umfassende und genaue Bewertung des Wissens. Aber ist er auch effizient – tut er das mit vertretbarem Aufwand? Hier habe ich meine Zweifel.

Der Gesamtbericht der Arbeitsgruppe 1 wurde von 259 Leitautoren erstellt und umfasst 1.100.000 Wörter auf fast 1500 Seiten. Er wurde in zwei Stufen auf 14.000 Wörter, also auf etwas mehr als 1%, in die Zusammenfassung für Entscheidungsträger kondensiert. Nur diese wird von den eigentlichen Adressaten des Berichts, nämlich den Regierungen, im Detail gelesen und Satz für Satz akzeptiert. Der Wert der restlichen 99% ist für einen Forscher immens, denn nirgendwo sonst findet er eine solch sorgfältig erstellte und begutachtete Bewertung. Im Abstand von nur sechs Jahren wird diese aber nicht für jeden Bereich der Klimaforschung benötigt.

Weiterhin ist es nicht so, dass in der Kondensation vom Gesamtbericht zur Zusammenfassung lediglich das sekundäre Detail zu einem bestimmten Thema ausgelassen würde. Nur eine Handvoll von Themen in jedem Kapitel stößt auf ein genügend breites Interesse auch außerhalb der Wissenschaft, um die Aufnahme in die Zusammenfassung zu rechtfertigen. Und diese Aspekte waren uns praktisch alle bekannt, als wir mit dem Verfassen des Berichts begannen.

Es ist an der Zeit, die Erstellung der IPCC-Berichte vom Kopf auf die Füße zu stellen. Zurzeit wird der Rahmen des Gesamtberichts zu Beginn in einem einwöchigen Treffen von Wissenschaftlern abgesteckt und anschließend von den Regierungen akzeptiert. Es wird also erst das Angebot entworfen, dann wird es erstellt, und ganz zum Schluss wird mit Blick auf die Nachfrage auf 1% kondensiert. Wir sollten aber zunächst in einem gemeinsamen, iterativen Prozess zwischen Wissenschaft und Regierungen den Rahmen für die Nachfrage erstellen, also für die Zusammenfassung für Entscheidungsträger. Danach sollten wir längere Berichtsteile lediglich zur Untermauerung derjenigen Themen erstellen, die auch tatsächlich in der Zusammenfassung auftauchen.

Ein solcher Prozess würde den Regierungen die notwendige Information auf effizientere und sogar effektivere Weise liefern. Zudem würde er der Klimaforschung größere Freiräume bereiten. Zuviel der Forschung im Bereich der Arbeitsgruppe 1 zielt nämlich auf unmittelbare Verwertung im IPCC-Bericht ab und steht somit der freien kreativen Forschung im Weg. Die aber ist unabdingbar für viele Fragen, auf die die Regierungen von der Klimaforschung Antworten benötigen.

Jochem Marotzke
(27.02.2014)

Prof. Dr. Jochem Marotzke ist Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) und dort Leiter der Abteilung „Ozean im Erdsystem“; er ist zudem Honorar-Professor an der Universität Hamburg.
Er wirkte im 5. Sachstandberichte des Weltklimarates (IPCC) für die Arbeitsgruppe 1 als Koordinierender Leitautor für das Kapitel „Evaluierung von Klimamodellen“ sowie als Leitautor für die „Technische Zusammenfassung" und den Synthesebericht.

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