Kolumne "Zur Sache"

Klimawandel in der Arktis: Was sind die Auswirkungen von multiplen Stressoren?

Dr. Clara Hoppe, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Die Nachrichten, welche uns zum Anfang dieses Jahres aus der Arktis erreichten, waren keine guten. Zunächst verzeichneten Messstationen extrem milde Lufttemperaturen mit 2 bis 6 °C über dem langjährigen Mittel, dann fiel die Winterausdehnung des arktischen Meereises deutlich kleiner aus als erwartet. Auch wenn beide Extremereignisse nicht unmittelbar auf den Klimawandel zurückgeführt werden können, passen sie doch zum langjährigen Trend.

Seit dem Jahr 1980 ist die Meereisausdehnung im Juli um durchschnittlich 8 % pro Dekade zurückgegangen, und in den letzten Jahren folgt ein Negativrekord nach dem anderen. Doch auch andere Effekte des Klimawandels – wie der Anstieg der Wassertemperatur oder die zunehmende Versauerung der Ozeane – sind in der Arktis stärker ausgeprägt als in den gemäßigten Breiten und sind dabei, den Lebensraum Arktischer Ozean dramatisch zu verändern.

Wie sich diese Umweltveränderungen weiterentwickeln und welche Folgen diese für arktische Nahrungsnetze und Stoffkreisläufe haben, erforschen wir am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Dabei geht es Biologinnen wie mir zum Beispiel um die Frage, wie sich der Klimawandel auf das arktische Phytoplankton, also die Primärproduzenten der Ozeane, auswirkt. Veränderungen in der Produktivität und die Zusammensetzung dieser Mikroalgen könnten weitreichende Auswirkungen auf die Nahrungsverfügbarkeit im Ökosystem haben. Ökosystemdienstleistungen wie die Produktion von Fischbeständen und die Speicherung von anthropogenem CO2 im Arktischen Ozean werden hiervon maßgeblich beeinflusst.

In unserer Arbeitsgruppe untersuchen wir, wie sich die Ozeanversauerung, die Erwärmung des Wassers und die durch den Meereisrückgang veränderten Lichtbedingungen auf Mikroalgen auswirken. Dazu setzen wir Phytoplanktongemeinschaften aus dem Kongsfjord (Spitzbergen) in Inkubationsexperimenten verschiedenen Klimawandelszenarien aus und untersuchen ihre Reaktionen auf die veränderten Lebensbedingungen.

Unsere ersten Studien deuten an, dass die arktischen Mikroalgen eine hohe Widerstandskraft gegenüber diesen Veränderungen besitzen. Das trifft sowohl auf die Artzusammensetzung als auch auf ihre Produktivität zu. Diese Fähigkeit der Phytoplanktongemeinschaften, Änderungen abzupuffern, hat uns überrascht. Langzeituntersuchungen in den Fjordsystemen und der nahegelegenen Framstraße, die den Nordatlantik mit dem Arktischen Ozean verbindet, hatten nämlich drastische Veränderungen in der Artzusammensetzung des Phytoplanktons belegt.

Im Feld wirken eine Menge verschiedener Umweltfaktoren auf die Algen ein, von denen wir noch nicht genau wissen, welche den Ton angibt, ob sie sich gegenseitig verstärken oder gar in ihrer Wirkung neutralisieren. Wir versuchen daher derzeit zu ergründen, welche Eigenschaften einer arktischen Artengemeinschaft eine hohe Widerstandsfähigkeit zur Folge haben und welche Faktoren stattdessen eher zu Veränderungen im Ökosystem führen. Dafür müssen wir die ökologischen und physiologischen Mechanismen identifizieren, die darüber bestimmen wie stark sich der Klimawandel auf Mikroalgen auswirkt. So scheint beispielsweise eine hohe innerartliche Diversität einiger Arten ein wichtiger Mechanismus zu sein, um Veränderungen bis zu einem bestimmten Maß abpuffern zu können. Auch wenn unsere Inkubationsexperimente die Komplexität der natürlichen Situation nur bedingt abbilden können, so sind unsere Studien doch unersetzlich für die Entwicklung eines Prozessverständnisses, welches für ein Hochskalieren der Ergebnisse auf den Arktischen Ozean mittels Ökosystem- und Klimamodellierung notwendig ist. Das könnte uns genauere Rückschlüsse darüber erlauben, wie sich der Klimawandel auf die Ökosystemdienstleistungen des arktischen Ozeans auswirkt.

Dr. Clara Hoppe

Biologin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

(25.05.2016)


Bildnachweis: © Alfred-Wegener-Institut/René Bürgi

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