Parlamentarische Veranstaltungen

23.03.2017

Empfindlichkeit der Ozeane lange unterschätzt

Parlamentarischer Abend zu Ozeanen und Klimawandel

Diskussionsrunde © British Embassy Berlin, S. D’Souza

In Bezug auf internationale Klimapolitik standen die Ozeane selten im Mittelpunkt, doch ihr Einfluss auf das globale Klima ist groß. Inzwischen wird auch die Politik aktiv. In welchem Zustand sich unsere Ozeane befinden und was das für die internationale Klimapolitik bedeutet, diskutierten Expertinnen und Experten während des Parlamentarischen Abends in der Britischen Botschaft.

Rund 80 Teilnehmende aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft waren am 21. März in die Britische Botschaft in Berlin gekommen, um aus erster Hand zu erfahren, in welchem Zustand sich die Ozeane befinden. Anlässlich des „Wissenschaftsjahres 2016*17 – Meere und Ozeane“ des Bundesforschungsministeriums hatten die Botschaft, das Konsortium Deutsche Meeresforschung (KDM) und das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) eingeladen.

Mit Dr. Peter Stott, Direktor des britischen Wetterdiensts „Hadley Centre for Climate Science“, und Prof. Dr. Mojib Latif, DKK-Vorstandsvorsitzender und Forschungsleiter am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, waren die Beiträge aus der Ozeanforschung hochrangig besetzt.

Zu hoch, zu warm, zu sauer

Die beiden Meeresforscher hatten wenig Erfreuliches zu berichten. „Die Ozeane sind zu hoch, zu warm, zu sauer “, fasste Mojib Latif die drei zentralen Probleme – Meeresspiegelanstieg, Erwärmung und Versauerung – zusammen. Peter Stott betonte, dass sowohl die Klimaänderungen als auch deren Ursache – die menschgemachten Treibhausgase – offensichtlich und hinreichend belegt seien. Im Detail aber gebe es noch große Forschungslücken, um die Prozesse in den Ozeanen besser zu verstehen. Das habe auch einen Grund: „Die Ozeane sind die größte Klimakomponente und die technischen Herausforderungen ihrer Vermessung sind gewaltig“, sagte der britische Forscher. Und Mojib Latif ergänzte: „Im Gegensatz zur Atmosphäre, die über direkte Temperaturmessungen von über 150 Jahren verfügt, gibt es solche Daten erst seit rund 30 Jahren für die Ozeane. Beobachtungen der Tiefsee sind aufwändig, teuer und technisch erst seit wenigen Jahrzehnten möglich.“ Auf die Frage der Moderatorin Lilo Berg, ob die Klimamodelle nicht doch noch zu unsicher seien, hatte Peter Stott eine klare Antwort: Die Klimamodelle seien zuverlässig, wenn es um das Muster der Klimaänderungen gehe. Das gelte sogar für die allerersten Modelle von vor über 30 Jahren, deren Projektionen zum Teil heute schon eingetreten seien.

Schlussfolgerungen für die internationale Klimapolitik

Die anschließende Diskussionsrunde fokussierte sich auf die dringend gebotenen Lösungen. Mit Juan Carlos Arredondo, Umweltpolitiker aus Mexiko, Dr. Susanne Dröge, Politikwissenschaftlerin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sowie Dr. Gerrit Hansen, Politikberaterin von Germanwatch, hatten drei weitere Personen aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf dem Podium Platz genommen. Zwei wichtige internationale Gipfeltreffen finden in diesem Jahr in Deutschland statt: das Treffen der G20, das derzeit in zahlreichen Arbeitsgruppen bis Juli in Hamburg vorbereitet wird, und der Weltklimagipfel, COP 23, im November in Bonn. Welche nächsten Schritte hier zu erwarten seien, fragte die Moderatorin die Expertinnen und Experten.

Susanne Dröge äußerte sich besorgt darüber, dass die USA unter dem neuen Präsidenten die Bühne der Klimadiplomatie komplett verlassen. Das werde ihrer Einschätzung nach die Weiterentwicklung des internationalen Klimaschutzes verlangsamen, statt sie – wie eigentlich nötig – zu beschleunigen. Juan Carlos Arredondo schätzte die Lage ähnlich ernst ein, erblickte aber auch Chancen für neue Allianzen, die anstelle der USA den Prozess vorantreiben können. Seiner Einschätzung nach könnten Deutschland aber auch China diese Rolle einnehmen. Und auch sein eigenes Land, das mit einer langen Küste dem Meeresspiegelanstieg trotzen muss, werde seine Ambitionen erhöhen und nach der CO2-Steuer auch ein Emissionshandelssystem einführen. Gerrit Hansen, die den G20-Prozess derzeit als NGO beobachtet, bestätigte, dass Deutschland international ein sehr hohes Engagement in der Klimapolitik zeigt und das allgemein anerkannt wird. Sie kritisierte aber gleichzeitig die eigentümliche Lücke, wenn es um Fortschritte beim Klimaschutz im eigenen Land gehe.

Ozeane bewahren, Treibhausgasemissionen reduzieren

Nach über einer Stunde Diskussion und reger Beteiligung des Publikums fasste Prof. Dr. Monika Rhein, Mitglied des DKK-Vorstands und Leiterin der Arbeitsgruppe Ozeanographie an der Universität Bremen, die Debatte zusammen: Die Empfindlichkeit der Ozeane und der marinen Ökosysteme gegenüber den Klimaänderungen, die enormen Folgen für die Ernährungssicherheit und den Wohnraum der Menschheit an den Küsten hat, würde erst jetzt in das Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit dringen. Unbedingt erforderlich seien eine Erweiterung der Beobachtungen im Ozean und eine Weiterentwicklung der Klimamodelle. Beides ist nötig um die Vorhersagbarkeit der zukünftigen regionalen Klimaentwicklung zu verbessern. Die Wissenschaftlerin warnte: „Auch wenn das große Bild klar ist, müssen wir die Prozesse im Ozean besser verstehen und dazu brauchen wir einen Ausbau der globalen Ozean-Messsysteme und bessere Modelle. Dass auch nach heutiger Datenlage dringend gehandelt werden muss, ist aber evident.“ Klar sei auch, dass es in den Ozeanen im Gegensatz zum Land kaum Spielräume für Klimaanpassung gibt. Monika Rhein sagte zum Abschluss: „Die Ozeane bewahren, heißt: runter mit den Emissionen – und zwar jetzt.“

 

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23. März 2017

Fotos: © British Embassy Berlin, S. D’Souza 

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