Berlin – Professor Dr. Mojib Latif, Klimaforscher und Meteorologe, Professor Dr. Gernot Klepper, Umweltökonom, die Politikwissenschaftlerin Dr. Silke Beck und DKK-Geschäftsführerin Marie-Luise Beck stellten heute in Berlin das Positionspapier des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK) zu den „Perspektiven für die Klimaforschung 2015 bis 2025“ vor. Das Positionspapier wurde auf Einladung des DKK seit 2013 von über 80 Wissenschaftlern und Experten erarbeitet und stellt einen Konsens der führenden Klimaforscher und Klimafolgenforscher dar. Es bestimmt drei zentrale Themenfelder, die in den nächsten zehn Jahren im Fokus von Wissenschaft, Gesellschaft und Politik stehen sollten und zu denen die deutsche Forschung wertvolle Beiträge leisten kann. Die drei Themenfelder sind: Das Schließen von Lücken im Verständnis des Klimasystems, der Umgang mit Klimarisiken und die Rolle der Klimaforschung in der demokratischen Gesellschaft, mit dem Ziel, besser zugeschnittene Formen der Politikberatung zu entwickeln.
Das Klima verstehen:
Wissenslücken schließen und Projektionen für die Zukunft sicherer machen
Dass sich das Klima der Erde wandelt und Menschen die Hauptverursacher der Erwärmung seit der Mitte des 20. Jahrhunderts sind, ist wissenschaftlich unstrittig. Der DKK-Vorstandsvorsitzende Mojib Latif betonte: „Gerade die exzellent aufgestellte deutsche Klimaforschung hat in führender Rolle dazu beigetragen, dass dieser Erkenntnisstand heute weltweit anerkannt wird. Trotz der enormen Fortschritte bei der Erforschung des Klimasystems gibt es noch erhebliche Verständnislücken. Die vertiefte Erforschung der Prozesse im Klimasystem steht daher für die Klimaforschung weiterhin an zentraler Stelle.“
Für eine Verbesserung des Systemverständnisses fordern die Klimaforscher im DKK-Positionspapier den weiteren Auf- und Ausbau von Klimabeobachtungssystemen. Zudem sei eine nationale Modellierungsstrategie notwendig, um Fehler der Klimamodelle zu verringern und vor allem regionale Klimavorhersagen sicherer zu machen. Ein weiteres Projekt: Das nahtlose Vorhersagesystem, das von der klassischen Wettervorhersage über die kurzfristige Klimavorhersage bis hin zur Vorhersage des Klimas über Jahreszeiten, Jahrzehnte und schließlich Jahrhunderte reicht. Der erste Schritt für die kommenden Jahre, so die Autoren des Papiers, sei die Verlängerung der Wettervorhersage und ihre Verbindung zur kurzfristigen Klimavorhersage. Dies ist die bisher noch fehlende Verbindung, die eine Planung von Nahrungs-, Wasser- und Energieverfügbarkeit über längere Zeiträume und eine bessere Vorbereitung auf extreme Wetterereignissen erlauben würde.
Mit Klimarisiken umgehen: Grundlagen für Risikomanagement schaffen
Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels sind schwer abzuschätzen. Zu einem großen Teil liegen sie in der Zukunft und sind von vielen lokalen Faktoren abhängig. Die Risiken, die durch die Folgen des Klimawandels entstehen, müssen jedoch genauer identifiziert und charakterisiert und – wo möglich – in Bezug auf Wahrscheinlichkeit und Schadensausmaß quantifiziert werden. Regierungen, Unternehmen und die Zivilgesellschaft brauchen hinreichend gesichertes Wissen, um sich an den nicht mehr vermeidbaren Klimawandel anzupassen und den Klimawandel gleichzeitig durch tiefgreifende Veränderungen – Stichwort: Low Carbon Society (kohlenstoffarme Gesellschaft) – zu begrenzen. Bisher jedoch fehlt ein auf den besten klimawissenschaftlichen Informationen beruhendes Risikomanagement, das es erlaubt, die Vor- und Nachteile von klimapolitischen Entscheidungen besser abzuwägen.
Die Wissenschaftler und Experten machen daher im DKK-Positionspapier Vorschläge, wie besseres Wissen über künftige Klimarisiken erzeugt werden kann. Dafür fordern sie sowohl eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Natur- und Sozialwissenschaftlern als auch eine transdisziplinäre Zusammenarbeit mit Praxispartnern aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Während die Sozialwissenschaften wirtschaftliche und soziale Folgen des Klimawandels identifizieren und mögliche Entwicklungspfade aufzeigen sollten, müssten Praxispartner einbezogen werden, um die gesellschaftlich relevantesten Fragen und Forschungsprioritäten herauszufinden.
Der Umweltökonom Gernot Klepper zeigte Konsequenzen dieses Vorgehens auf:„Es hat nicht unbedingt das Klimaphänomen höchste Priorität für die Forschung, über das wir am wenigsten wissen. Sondern die Forschung sollte sich auf die Klimaphänomene konzentrieren, bei denen das Wissensdefizit mit hohen gesellschaftlichen Schäden und Kosten einhergeht, oder wo die Politik zeitnah Entscheidungen fällen muss, zum Beispiel bei der Umsetzung der Energiewende. Hier müssen Wissenschaftler bessere Entscheidungsgrundlagen liefern.“
Klimaforschung in der demokratischen Gesellschaft:
Neue Forschungsfelder und eine passgenaue Politikberatung
Da die Bewältigung des Klimawandels in erster Linie mit Umsetzungsproblemen verbunden ist, steigt auch der Bedarf an wissenschaftsbasierter Beratung zu gesellschaftlichen Handlungsmöglichkeiten und Lösungsoptionen. Die Politikwissenschaftlerin Silke Beck erläuterte: „Wissenschaftler müssen dafür noch besser verstehen, unter welchen Bedingungen Wandel in einer demokratischen Gesellschaft möglich ist, welche Rolle Klimawissenschaftler dabei spielen können und welche Angebote für die Politikberatung benötigt werden. Daraus ergeben sich neue Forschungsfragen, die Gegenstand einer sozialwissenschaftlichen Grundlagenforschung werden müssen.“
Großen Wert legen die Forscher und Experten auf eine systematische Weiterentwicklung der wissenschaftsbasierten Politikberatung in einem kontinuierlichen Dialog mit den beteiligten Akteuren und Institutionen. In einem ersten Schritt sollte eine empirische Bestandsaufnahme der bestehenden Beratungsangebote vorgenommen und dann erforscht werden, ob Instrumente und Strukturen den Fragestellungen und Zielen angemessen sind. Kaum beforscht sind bisher die Auswirkungen von Klimaschutzpolitiken, wie beispielsweise der Emissionshandel, kritisieren die Klimaforscher, und fordern sogenannte Ex-Post-Analysen.
Das Deutsche Klima-Konsortium gestaltet den Strukturwandel in der Klimaforschung
Der DKK-Vorstandsvorsitzende Mojib Latif begründete die drei Schwerpunkte des Positionspapiers, die weit über die klassische Klimaforschung hinausführen:„In Bezug auf den Klimawandel gibt es weniger ein Erkenntnisproblem, sondern insbesondere ein Umsetzungsproblem. Es geht zunehmend um Lösungsmöglichkeiten, die in einer demokratischen Gesellschaft legitimiert und akzeptiert sein müssen. Es geht darum, konkrete Klimarisiken zu bewältigen und dabei abzuwägen, ob Menschen sich daran anpassen können oder anderweitig Schutz und Unterstützung brauchen. Man sieht: Es geht auch um Wertentscheidungen, um Fragen der Gerechtigkeit. Und die Wissenschaft ist dabei nur einer unter vielen Akteuren – wenn auch mit einer besonderen Rolle und Verantwortung. Das Deutsche Klima-Konsortium befördert die wissenschaftliche Erforschung dieser Fragen und ermöglicht eine fundierte Debatte über die Herausforderungen, die der Klimawandel für unsere Gesellschaften darstellt.“
DKK-Geschäftsführerin Marie-Luise Beck sagte:„Die steigenden Anforderungen an das Verständnis des Klimawandels und an erfolgversprechende Lösungen bewirken einen Strukturwandel in der Klimaforschung. Viele Initiativen aus dem Bundesforschungsministerium oder den Ressortforschungseinrichtungen reagieren darauf. Als Dachverband der Klimaforscher will das Deutsche Klima-Konsortium diesen Strukturwandel mitgestalten. Mit dem Positionspapier möchten wir neue Forschungs- und Beratungsprozesse anstoßen. Wir sprechen mit einer Stimme und sind bei Fragen zum Klimawandel eine zentrale Anlaufstelle für Politik und Öffentlichkeit.“
Das DKK-Positionspapier finden Sie zum Herunterladen unter
www.deutsches-klima-konsortium.de/de/veroeffentlichungen/publikationen.html.
Bildnachweis: ©DKK, Fotos: S. Sharifi
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