Wolken sind faszinierende Gebilde, die uns allerdings noch einige Rätsel aufgeben. Wir wissen zwar, dass sie aus Wassertröpfchen und Eiskristallen bestehen. Doch die Prozesse, die für die Bildung und die Eigenschaften von Wolken verantwortlich sind, haben wir noch nicht vollständig verstanden. Das macht es schwierig, ihren Einfluss auf das Klima einzuschätzen – und noch schwieriger, diesen Einfluss angemessen in Computermodellen zu berücksichtigen. Nach Einschätzung des Weltklimarates der Vereinten Nationen (IPCC) sind Wolken der wesentliche Unsicherheitsfaktor in Klimaprognosen.
Hinzu kommt, dass Wolken zwei gegenläufige Effekte haben: Sie sorgen einerseits für Abkühlung, da sie nicht die gesamte Sonnenstrahlung zur Erdoberfläche durchlassen. Andererseits halten sie Wärmestrahlen zurück, die vom Boden reflektiert werden, was wiederum für Erwärmung sorgt. In der Bilanz überwiegt die Abkühlung – wenn die Wolke aus flüssigen Wassertropfen besteht. Bei einer Eiswolke kann es anders aussehen, denn Eispartikel reflektieren Strahlung nicht so wie Tropfen. Entscheidend sind Anzahl und Größe der Eispartikel und ob sie dicht gepackt oder weit voneinander entfernt sind.
Unsere Arbeitsgruppe untersucht insbesondere Eiswolken rund um den Globus. Mit Forschungsflugzeugen, die mit zum Teil von uns selbst entwickelten Instrumenten ausgestattet sind, sammeln wir umfangreiche Daten mitten in den Wolken. Im Fokus stehen Zirren. Das sind Eiswolken, die bei Lufttemperaturen zwischen minus 90 und minus 40 Grad Celsius entstehen. Da sich Wolken in unterschiedlichen Höhen und über verschiedenen Regionen anders entwickeln, ist es wichtig, an vielen Orten Daten zu sammeln. Zirren bilden sich beispielsweise über der Arktis in fünf bis zwölf Kilometern Höhe, über den Tropen dagegen in einer Höhe von neun bis achtzehn Kilometern. Dank umfangreicher Messkampagnen verfügen wir über den weltweit größten Datensatz über die Anzahl von Eispartikeln in Zirren. Sehr viele Wissenschaftler haben mit Hilfe dieser Daten geprüft, ob die Ergebnisse ihrer globalen Computermodelle mit den gemessenen Eiskristallzahlen übereinstimmen. Tatsächlich bilden die bisherigen Modelle in diesem Punkt die Realität noch nicht gut genug ab.
Unsere Daten helfen nicht nur, genauere Klimasimulationen zu erstellen. Wir stoßen auch auf bislang unbekannte Zusammenhänge. Durch die Kombination mit anderen Datensätzen und Vergleiche mit einem Computermodell haben wir etwa Hinweise gefunden, dass menschliche Einflüsse Auswirkungen auf Zirren haben könnten. Vermehrter Partikel-Ausstoß durch Industrieanlagen oder durch veränderte Landnutzung könnte sich auf die Bildung dieser Wolken auswirken. Das ist brisant und widerspricht der bisherigen Lehrmeinung. Gestützt wird unsere Annahme durch Ergebnisse amerikanischer Wissenschaftler, die massenspektrometrisch Wüstenstaub und organische Substanzen in den Eispartikeln von Zirren nachweisen konnten.
Auch unsere Messungen in Mischphasenwolken widersprechen einigen bisher gängigen Annahmen der Fachwelt. Das sind Wolken, die sich aus Eiskristallen und Wassertropfen zusammensetzen. Wir konnten zeigen, dass Partikel aus Eis kleiner als 50 Mikrometer sein können und es in der Atmosphäre auch runde Eispartikel gibt. Und unsere Messungen belegen, dass Wolken oder Wolkenteile, in denen Tropfen und Eis zugleich existieren, durchaus häufig vorkommen. Über mittleren geografischen Breiten gibt es sogar mehr Mischphasenwolken als Zirren. Das bedeutet, dass auch diese Wolken unbedingt in den globalen Klimamodellen berücksichtigt werden müssen.
All das zeigt, dass wir immer noch zu wenig über Wolken, deren Entstehung und Eigenschaften wissen. Wenn wir die Wolken besser verstehen, können wir auch das komplexe Klimasystem weiter enträtseln und den Klimawandel genauer vorhersagen.
Martina Krämer
(26.06.2014)
Martina Krämer leitet die Arbeitsgruppe Wasserdampf und Wolken am Institut für Energie- und Klimaforschung, Bereich Stratosphäre (IEK-7) des Forschungszentrums Jülich.
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