Kolumne "Zur Sache"

Nachweis erbracht – Mission erfüllt!? Zur Zukunft des Weltklimarats

Silke Beck, Senior Research Scientist am Department Umweltpolitik am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig (UFZ)

Der Weltklimarat gilt als das Erfolgsmodell für wissenschaftliche Politikberatung auf internationaler Ebene und als das Vorbild für die Ausgestaltung von Beratungsgremien im Bereich Biodiversität, Ernährung und Gesundheit. Der Rat läuft jedoch – auf dem Zenit seiner Errungenschaften – Gefahr, Opfer seines eigenen Erfolgs zu werden.

Einer der Gründe für seinen einzigartigen Erfolg liegt in seiner beträchtlichen Lern- und organisatorischen Anpassungsfähigkeit. In der Vergangenheit ist es dem Weltklimarat immer wieder gelungen, auf neue Herausforderungen – wie beispielsweise auf die Forderung nach politischer Relevanz oder disziplinärer und geopolitischer Balance sowie wissenschaftlicher Qualitätssicherung –  angemessen zu reagieren. Inzwischen mehren sich jedoch die Stimmen, die nahe legen, dass diese Formen der inkrementellen Anpassung notwendig, aber nicht hinreichend sind, um zukünftige Herausforderungen angemessen zu adressieren. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Begutachtung durch das InterAcademy Council (IAC), die 2010 als Reaktion auf die vermeintlichen Climate- und Gletscher-Gates eingesetzt wurde. Diese diagnostiziert fundamentalen Reformbedarf (IAC 2010: 83). Betrachtet man die IPCC-Reformverhandlungen zur Umsetzung der IAC-Empfehlungen, finden sich jedoch wenige Indizien für eine grundlegende Neuausrichtung der Organisationsstruktur. Diese setzen nicht an den Ursachen der zu verhandelnden Probleme (wie den Konsensverfahren oder dem Verhältnis zur Öffentlichkeit und Blogosphäre) an, sondern ausschließlich an den Symptomen (z.B. am Mangel an Transparenz der bestehenden Verfahren).

Im Zuge der Veröffentlichung des Fünften Sachberichts kommt die Manöverkritik nun nicht mehr nur von außen, wie von Klimaskeptikern, sondern auch von Seiten der Wissenschaftler selbst, die maßgeblich zu den IPCC-Sachstandsberichten beigetragen haben. Der IPCC neige dazu, so eine der kritischen Beobachtungen, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen und in die Jahre zu kommen. Diese Entwicklung sei umso fataler, je größer der Aufwand für die sog. Blockbuster-Berichte werde und damit in keinem Verhältnis mehr zu ihrem Nutzen für Entscheidungsträger stehe. Die Diskussion um die Zukunft des Rats zeigt: der bereits eingeschlagene Pfad und ein weiteres business as usual stellen keine für den Rat nachhaltige Option mehr dar. Das Erfolgsmodell gerät damit in die Sackgasse. Stattdessen sollte die Diskussion um die Zukunft des Weltklimarats als Gelegenheit genutzt werden, um Alternativen und Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf den vom Weltklimarat eingeschlagenen Pfad zu öffnen. Damit wäre grundlegend zu überdenken:

  • Welche Mission soll und kann IPCC erfüllen, nachdem der wissenschaftliche Nachweis erbracht ist, dass der menschgemachte Klimawandel stattfindet?
  • Welche Rolle wird er zukünftig im Hinblick auf das Zwei-Grad-Ziel spielen? Welche Beiträge kann und sollte ein globales Gremium in der fragmentierten Architektonik der Klimapolitik nach Kopenhagen 2009 leisten?
  • Wo genau besteht überhaupt Informations- und Beratungsbedarf?
  • Wie kann der Rat die konkreten Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzergruppen von der internationalen bis hin zu regionalen Ebene erfüllen, wo vermutlich zukünftig die Musik spielen wird?
  • Ist er für zukünftige Herausforderungen hinreichend gewappnet (fit for purpose)?

Die Zukunft des Rates wird maßgeblich davon abhängen, ob er sich offen diesen, möglicherweise unangenehmen Herausforderungen stellt und in welcher Weise es ihm gelingt, nachhaltige Antworten auf diese Fragen zu finden.

Silke Beck
(16.07.2014)

Dr. Silke Beck ist Soziologin und forscht seit 2009 am UFZ mit Schwerpunkt Regierungshandeln in der Klima- und Umweltpolitik und wissenschaftliche Politikberatung. Ihr Statement geht auf einen umfangreichen Beitrag in der Zeitschrift GAIA zurück. Beck, S. et al. (2014). Towards a Reflexive Turn in the Governance of Global Environmental Expertise. The Cases of the IPCC and the IPBES. GAIA-Ecological Perspectives for Science and Society, 23(2), 80-87.

Kontakt:
E-Mail: silke.beck@ufz.de

 

 

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