Werden die großen Flüsse Deutschlands eines Tages trocken fallen, da durch den Klimawandel nicht mehr genügend Wasser zur Verfügung steht? Diese Frage wird in den Medien immer wieder diskutiert – sei es, wenn Ergebnisse der Klimaforschung diskutiert werden oder wenn gerade eine längere Niedrigwasserphase auftritt. Nicht selten beschreibt die Presse Szenarien, wie die Erderwärmung den Rhein in den nächsten 100 Jahren austrocknen lässt. Bei bestimmten Kombinationen von Klimamodellen und Ausgangsdaten lassen sich Niedrigwasserszenarien tatsächlich konstruieren. Aber sind diese auch plausibel?
Die Erderwärmung zieht ein komplexes Geflecht von Wirkungszusammenhängen nach sich, die auch die Klimafolgenforschung nicht allumfassend beschreiben kann. Das gilt besonders für den Wasserkreislauf, der im Klimageschehen der Erde eine wichtige Rolle spielt. Die Folgen des Klimawandels für das Abflussgeschehen in Mitteleuropas großen Flussgebieten müssen also systematisch und mit geeigneten Methoden untersucht werden.
Um überhaupt eine Idee zu bekommen, welche Wasserführung in 50 oder 100 Jahren in einem Fluss zu erwarten ist, wendet die Wissenschaft sogenannte „Modellketten“ an. Am Anfang stehen dabei Szenarien zur Entwicklung der globalen Treibhausgas-Emissionen. Diese dienen als Eingangsgröße für globale Klimamodelle, wie sie auch der Weltklimarat (IPCC) verwendet. Deren Ergebnisse werden in unterschiedlichen Regionalisierungsverfahren vom globalen auf den regionalen Maßstab verfeinert und finden schließlich in Wasserhaushalts-, Sediment-, Schwebstoff-, Güte- und ökologischen Modellen Verwendung.
Für plausible Zukunfts-Projektionen benötigen die Rechenmodelle als Grundlage zuverlässige Messwerte aus der Vergangenheit, wie z. B. homogene und plausible hydrometeorologische oder hydrologische Zeitreihen. Sie ermöglichen eine wissenschaftlich fundierte Analyse zukünftiger Entwicklungen im Vergleich mit Abläufen in der Vergangenheit.
Da eine einzelne Modellkette nur geringe Aussagekraft besitzt, verwendet man heute sog. Ensembles aus mehreren verfügbaren Modellen. Die Ensembles liefern eine Bandbreite an Ergebnissen, die alle nach dem heutigen Kenntnisstand zu ermittelnden zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten erfasst.
Wie plausibel ist nun die Behauptung, der Rhein trockne aus? Betrachtet man die Ergebnisse verschiedener Modellketten für die zukünftige Abflussentwicklung im Rhein, so erscheint eine vollständige Austrocknung als sehr unwahrscheinlich. Das Abflussregime des Rheins wird sich bis zum Jahr 2050 nur geringfügig ändern. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts werden nach derzeitigem Kenntnisstand die Abflüsse des Rheins im Winter zu- und im Sommer abnehmen. Dann können im Sommer mehrwöchige Niedrigwasserphasen vorkommen, wobei das Flussbett des Rheins aber nicht trockenfällt.
Diese Erkenntnisse generieren sich aus dem Ressortforschungsprogramm KLIWAS der Bundesregierung (Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserstraßen und Schifffahrt in Deutschland, Laufzeit 2009-2013). Die Ergebnisse haben bereits Eingang in politikberatende Gremien gefunden und dienen als Grundlage für die Entwicklung von geeigneten Anpassungsstrategien.
Hans Moser
(22.08.14)
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