Kolumne "Zur Sache"

Der Europäische Emissionshandel – und er funktioniert doch.

Prof. Ulrich J. Wagner, Universidad Carlos III, Madrid und Sebastian Petrick, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft, Kiel

Der Europäische Emissionshandel – und er funktioniert doch.

Der Weltklimarat IPCC ist sich nicht ganz sicher: Mit „medium agreement“ findet er „limited evidence“, dass der kurzfristige Umwelteffekt von Emissionshandelssystemen für Treibhausgase nur gering ist, da die politisch gesetzten Emissionsobergrenzen locker oder nicht bindend seien (IPCC AR5 WG3, Summary for policy makers, S. 29). Eine ärgerlich hohe Unsicherheit über die Wirksamkeit eines Politikinstrumentes, das mit dem Versprechen angetreten war, die Rettung des Weltklimas zum kleinstmöglichen Preis zu ermöglichen.

Der mit Abstand bedeutendste Vertreter dieses Politikinstrumentes ist das 2005 ins Leben gerufene EU-Emissionshandelssystem. Es ist nicht nur das zentrale Element der EU-Klimapolitik, sondern auch das weltweit größte Emissonshandelssystem überhaupt und dient als Prototyp für weitere ähnliche Systeme auf der ganzen Welt. Beim Emissionshandel legt die Politik eine Obergrenze für die gesamte CO2-Emission fest und verpflichtet Unternehmen, „Verschmutzungslizenzen“ für ihren jeweiligen CO2-Ausstoß zu kaufen. Verringert ein Unternehmen seinen Schadstoffausstoß, kann es seine entsprechenden Verschmutzungslizenzen an andere Unternehmen verkaufen. Wenn das System funktioniert, werden die Emissionen genau da eingespart, wo die Einsparung am günstigsten ist.

In jüngster Zeit war das EU-System aufgrund des stark gefallenen Preises für die Verschmutzungslizenzen in die Kritik geraten. Nachdem die CO2 Preise zwischen 2008 und 2010 bereits von knapp 30 auf unter 15 EUR gefallen waren, erlebte der Markt in zweiten Jahreshälfte 2011 einen weiteren Preissturz. Inzwischen liegt der Preis für CO2 Zertifikate bei nur noch rund 6 EUR, so dass mittlerweile die Effektivität des Instruments als stark eingeschränkt gilt. Nicht nur der IPCC sieht in der überdimensionierten Gesamtmenge an CO2 Zertifikaten einen der Hauptgründe für den Preisverfall. Dieses Überangebot war nicht rechtzeitig an die im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise stark zurückgegangene Nachfrage nach CO2 Zertifikaten angepasst worden.

In einer aktuellen Studie haben wir die Wirksamkeit des EU Emissionszertifikatehandels im deutschen Verarbeitenden Gewerbe vor dem jüngsten Preisverfall genauer untersucht. Für die Jahre 2008 bis 2010 ergibt sich, dass Firmen, die unter das Europäische Emissionshandelssystem fielen und Emissionszertifikate halten mussten, ihren CO2-Ausstoß um ein Fünftel stärker senkten als Unternehmen, die dieser Pflicht nicht unterlagen. Darüber hinaus gab es entgegen häufig geäußerter Befürchtungen keine Anzeichen, dass der EU-weite Handel mit Emissionszertifikaten den Umsatz, die Wettbewerbsfähigkeit oder die Zahl der Arbeitsplätze in den betroffenen Unternehmen verringert hätte. In der Testphase des Zertifikathandels (2005-2007) mit relativ geringen Zertifikatpreisen war hingegen kein Effekt messbar. Der Rückgang der Emissionen zwischen 2008 und 2010 wurde offensichtlich nicht durch eine verringerte Produktion erreicht, sondern durch Verbesserungen bei der Energieeffizienz der Produktion um ca. 18 %, beispielsweise durch eine verstärkte Nutzung von Prozesswärme. Durch die entstehende Einsparung der Energie, kam es zu einer geringeren Nutzung der CO2- intensiven Energieträger:   Öl und im geringeren Maße auch Gas.

Weil der Zertifikatpreis nach 2010 erneut stark gefallen ist, ist es denkbar, dass der Emissionshandel zwar zu dem in unserer Studie gefundenen Einspareffekt, aber in der Folgezeit nicht zu einer weiteren Reduzierung von Emissionen geführt hat. Tatsächlich sind die gesamtwirtschaftlichen CO2-Emissionen in Deutschland in letzter Zeit wieder gestiegen, was zum Teil den niedrigen Preisen für CO2-Zertifikate, zum Teil dem Preisrückgang bei der besonders CO2-intensiven Kohle geschuldet ist. Daraus lässt sich schließen, dass nicht das System des Emissionshandels wirkungslos ist, sondern seine konkrete Ausgestaltung.

Unsere Untersuchung zeigt, dass selbst moderate Zertifikatpreise zu erheblichen Vermeidungsanstrengungen geführt haben. Für einen darüber hinaus gehenden, anhaltenden Effekt des Emissionshandels sind nicht niedrigere sondern höhere Preise und vor allem auch Planungssicherheit für die Unternehmen nötig. Dazu müssten die Emissionsgrenzen gesenkt und die damit einhergehende Ausgabe bzw. Versteigerung von Emissionsrechten reduziert werden. Und es müssten klare politische Entscheidungen für die zukünftig zu versteigernden Emissionsmengen getroffen werden. Fazit: der Emissionshandel funktioniert – wenn er „richtig“ gemacht wird. Die europäischen Klimapolitikerinnen und Klimapolitiker sind nun in der Verantwortung, neben Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen und Sektoren auch die Rahmenbedingungen für ein Preisniveau zu schaffen, das hoch genug ist, um langfristige Investitionen in die Emissionsvermeidung rentabel zu machen. 

Sebastian Petrick ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft, Kiel, einem Mitgliedsinstitut des DKK. Zusammen mit Professor Ulrich J. Wagner von der Universidad Carlos III, Madrid, führte er die Studie zur Wirksamkeit des Emissionshandels durch und fasste sie im Kiel Working Paper zusammen: The Impact of Carbon Trading on Industry: Evidence from German Manufacturing Firms. Kiel Working Paper No. 1912 (2014).

(10.09.2014)

 


Sebastian Petrick

 

 
Professor Ulrich J. Wagner


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