Kann man sich ein erfülltes Leben für 9 Milliarden Menschen auf unserer Erde vorstellen? Welche Rolle werden dabei die zu erwartenden Klimaveränderungen spielen? Ist eine Begrenzung des CO2 Gehalts in der Atmosphäre ohne einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel zur Nachhaltigkeit vorstellbar?
Im Jahre 1980 wurde vom International Council for Science (ICSU) und der Weltmeteorologischen Organisation (WMO) das internationale Weltklimaforschungsprogram (WCRP) gegründet. Das WCRP verfolgt seither das Ziel, durch internationale Zusammenarbeit in der Wissenschaft das globale und regionale Klima besser zu verstehen. Bis heute ist die Herausforderung, unser Klima auf der Erde zu verstehen, zu groß, als dass ein Staat oder gar ein Institut alleine diese Forschungsaufgabe sinnvoll bewältigen könnte. Der Austausch von Erkenntnissen, gemeinsame Experimente, der Vergleich von Modellergebnissen oder gemeinsam genutzte Datenbasen sind unverzichtbare Säulen der modernen Klimaforschung geworden.
2013 wurde das 20-jährige Jubiläum der Rio Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio begangen. Die Bilanz war eher durchwachsen. Auf der einen Seite ist das Problembewusstsein gestiegen und Themen wie Klimawandel oder der Verlust von Biodiversität sind als globale Herausforderungen bei einem großen Teil der Entscheidungsträger akzeptiert. Doch wie sieht es mit den Lösungen aus? Wie sollten die Menschen handeln? Reicht unser heutiges Wissen überhaupt, um fundierte Handlungsempfehlungen für die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu geben?
Um vom Wissen zum Handeln zu kommen, haben von politischer Seite die Vereinten Nationen einen Prozess zur Definition nachhaltiger Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) initiiert. Im Moment liegt ein Entwurf (http://sustainabledevelopment.un.org/focussdgs.html) mit 17 Zielen vor. Viele Ziele haben einen direkten Bezug zu Umweltfragen; darunter ist auch ein explizites Klimaziel: Proposed goal 13: Take urgent action to combat climate change and its impacts.
Welche Aufgaben lassen sich für die Klimaforschung aus dem SDG Prozess ableiten? Drei Bereiche sind aus meiner Sicht wesentlich:
- Integrative Klimaforschung im Entwicklungskontext
Veränderungen im Klima, natürlich und anthropogen ausgelöste, können ernste Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen haben. Naturwissenschaftler können die Klimasignale quantifizieren. Klimaresiliente Gesellschaften sind ein Entwicklungsziel. Um Wege für die Transformation von Gesellschaften zu erarbeiten, bedarf es einer engen Zusammenarbeit der Klimaforschung mit Gesellschaftswissenschaften, Ingenieuren aber auch der Politik. Welche Risiken muss man vermeiden? Wie kann man sich anpassen? Und welche Absicherungssysteme können auch dekadische Schwankungen ausgleichen? In das Zentrum des Lösungsraums rücken die Entkarbonisierung des Energiesystems zur Vermeidung des Klimawandels sowie die Anpassung der Wasser- und Ernährungsversorgungssysteme an den nicht mehr vermeidbaren Klimawandel.
- Dokumentation der Veränderungen im Klimasystem
Nicht nur die Forschung, sondern zunehmend auch die Gesellschaft haben ein Interesse vergangene, laufende und zukünftige Änderungen im Klimasystem zu dokumentieren. Nur so kann man entscheiden, ob politische Ziele (wie beispielsweise die oben erwähnten SDG) auch erreicht werden. Dazu bedarf es global abgestimmter aber lokal betriebener Klimabeobachtungsinfrastrukturen. Das Global Climate Observing System (GCOS) gibt den internationalen Rahmen im Klimabereich vor. Deutsche Beiträge fließen in das europäischen Copernicus System (www.copernicus.eu) aber auch direkt in die Datennetze von GCOS und GEO (Group on Earth Observations) ein. Am GEOMAR bemühen wir uns zusammen mit internationalen Partnern darum, ein nachhaltiges Ozeanbeobachtungssystem für den Atlantik zu definieren (www.atlantos-h2020.eu).
- Ausbildung und Internationalisierung der Klimaforschung
Die gesellschaftliche Herausforderung, klug mit der Umwelt umzugehen und nachhaltige Entwicklungspfade zu erarbeiten, stellt neue und große Anforderungen an die Umwelt- und Klimaforschung. Wohlhabende Länder wie Deutschland können es sich leisten, Wissenschaftler auszubilden und viele in leistungsstarken Forschungseinrichtungen auch langfristig zu beschäftigen. Aber nicht immer sind die Karrierewege gut definiert und mehr Einbindung von Nachwuchswissenschaftlern in die Richtungsbestimmung der (Klima-) Forschung wäre angemessen. Eine Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit, insbesondere mit Entwicklungsländern in allen Bereichen der Klimaforschung, ist aus meiner Sicht unerlässlich.
Fazit:
Der Dialog zwischen der Forschung, die primär neues Wissen generiert, und Entscheidungsträgern, die wissensbasierte Lösungen suchen, ist von großer Bedeutung. Er gibt der Forschung den gesellschaftlichen Kontext und stellt sicher, dass Forschung als sinnvolle Gemeinschaftsaufgabe verstanden wird. Wenn jede Forscherin und jeder Forscher 10 Prozent seiner Arbeitszeit dazu verwendet über seine Forschung mit der Gesellschaft zu kommunizieren, werden wir gemeinsam Teil einer produktiven und inspirierenden, integrativen Klimaforschung sein. Es gibt viele, sehr gute Ansätze in dieser Richtung in Deutschland, die man konsequent weiterentwickeln sollte.
Martin Visbeck
(14.10.2014)
Prof. Dr. Martin Visbeck, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Abteilung Ozeanzirkulation und Klimadynamik) und Christian Albrechts Universität zu Kiel; er ist u. a. Sprecher des Exzellenzclusters „Future Ocean“ und Vorsitzender des Deutschen Komitees für Nachhaltigkeitsforschung in Future Earth.
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