Das Konzept einer nahtlosen Vorhersage von Wetter und Klima beruht auf der Erkenntnis, dass es keinen wissenschaftlichen Grund für eine Trennung zwischen der Vorhersage des Wetters für die nächsten Stunden und Tage und der Vorhersage des Klimas über Jahreszeiten und Jahrzehnte gibt. Dennoch wurden bisher verschiedene Modellsysteme auf den unterschiedlichen Raum- und Zeitskalen eingesetzt. Die zukünftige Forschung sollte jedoch mit einem gemeinsamen Modellsystem stattfinden. ICON wurde dafür entwickelt und wird seit Anfang 2015 eingesetzt.
Das Weltklimaforschungsprogramm WCRP hat 2005 im Rahmen seiner strategischen Planung erstmals das Konzept einer nahtlosen Vorhersage von Wetter und Klima („Seamless Prediction of Weather and Climate“) vorgestellt[1]. Dieses Konzept beruht auf der Erkenntnis, dass es keine wissenschaftliche Basis für eine Trennung zwischen der Vorhersage des Wetters für die nächsten Stunden und Tage und der Vorhersage des Klimas über Jahreszeiten, Jahrzehnte und Jahrhunderte gibt. Dennoch wurden bisher aus Praktikabilitätsgründen – etwa Modellkomplexität und Computernutzung – verschiedene Modellsysteme auf den unterschiedlichen Raum- und Zeitskalen eingesetzt. Da aber die verschiedenen räumlichen und zeitlichen Skalen eng miteinander verknüpft sind, sollte die zukünftige Forschung im Bereich von Wetter- und Klimavorhersage mit einem gemeinsamen Modellsystem stattfinden.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) und das Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) haben deshalb bereits seit 2004 gemeinsam ein neues Modellsystem mit dem Namen ICON (ICOsahedral Nonhydrostatic; http://www.mpimet.mpg.de/en/science/models/icon.html) entwickelt. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat darüber hinaus mit der Entwicklung von ICON-ART („Aerosols and reactive trace gases“) Module bereitgestellt, die Prozesse behandeln, die mit sekundären Aerosolen, direkt emittierten Komponenten wie Ruß, Mineralstaub, Vulkanasche, radioaktiven Substanzen und Seesalz sowie mit biologischem Material wie Pollen in Verbindung stehen. Weiterhin hat das MPI-M im ICON-Modellsystem eine Ozeankomponente entwickelt, wie sie für saisonale und längere Vorhersagen notwendig ist. Im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes HD(CP)2 (Wolken und Niederschlagsprozesse im Klimasystem)[2] hat das Deutsche Klimarechenzentrum (DKRZ) ICON so überarbeitet, dass es parallel mehrere hunderttausend Rechnerkerne effizient nutzen kann.
Mit ICON verfügen DWD, MPI-M und KIT über ein hochmodernes Modellsystem, das
a) die Qualität der Wettervorhersage deutlich verbessert im Vergleich zu den bisherigen Modellen, b) alle relevanten Komponenten des Klimasystems (Ozean, Kohlenstoffkreislauf, dynamische Vegetation, Atmosphärenchemie etc.) und deren Wechselwirkungen darstellt, c) lokale Maschenweitenverfeinerung für beliebige Ausschnittsgebiete („Nester“) erlaubt, d) auch als Regionalmodell mit sehr hoher räumlicher Auflösung bis herunter zu einer Maschenweite von 100 m einsetzbar sein wird (etwa in HD(CP)2), e) die Basis von Ensemble-Rechnungen zur weiteren Qualitätssteigerung in der Datenassimilation, Re-Analyse und Kurzfristvorhersage bildet, f) neben der klassischen (mehrtägigen) Wettervorhersage zukünftig erlaubt, erste Schritte in Richtung einer nahtlosen Vorhersage von der Kürzestfristprognose bis zur Klimaprojektion mit einem gekoppelten Erdsystemmodell zu gehen, g) an universitären und nichtuniversitären Forschungseinrichtungen für viele Fragestellungen genutzt werden kann, h) auf aktuellen Softwarestandards beruht und offen für zukünftige Weiterentwicklungen ist und i) massiv parallele Rechner der neuesten Generation mit mehr als 100.000 Rechnerkernen („cores“) optimal nutzt.
Beim DWD wird ICON seit dem 20. Januar 2015 im operationellen Betrieb für die globale Wettervorhersage mit einer Maschenweite von 13 km und 90 Schichten (insgesamt 265 Millionen Gitterpunkte) eingesetzt. Eine siebentägige Prognose benötigt nur eine Stunde Rechenzeit.
Im Bereich der Umweltvorhersage verwendet der DWD ICON-ART für die Berechnung der Ausbreitung von Vulkanasche, radioaktiven Schadstoffen und Wüstenstaub.
Deutscher Wetterdienst (DWD)
Forschung und Entwicklung, Referat Numerische Modelle
Dr. Günther Zängl
Leiter ICON-Modellentwicklung beim DWD
Deutsches Klimarechenzentrum (DKRZ)
Dr. Panos Adamidis
Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M)
Dr. Marco Giorgetta
Leiter ICON-Modellentwicklung beim MPI-M
Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Institut für Meteorologie und Klimaforschung
Dr. Bernhard Vogel
Gruppenleiter Aerosole, Spurengase und Klimaprozesse
[1] http://www.wcrp-climate.org/documents/WCRP_strategImple_LowRes.pdf
[2] http://www.mpimet.mpg.de/en/science/projects-new/hdcp2-project.html
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