Kolumne "Zur Sache"

Hochwasserrisiko: Vorhersagbarkeit und Vorsorge

PD Dr. Heidi Kreibich, Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum - GFZ

Nach der extremen Trockenheit in diesem Sommer denkt wohl kaum noch jemand an die Wassermassen, mit denen fast ganz Deutschland im Juni 2013 zu kämpfen hatte. Dabei sind Trockenheit und Hochwasser zwei Seiten derselben Medaille. Sie sind die Extreme im Wasserkreislauf. Kritisch ist, dass der Mensch massiv direkt in den Wasserkreislauf eingreift und sich der Klimawandel gleichzeitig ebenfalls deutlich auf den Wasserkreislauf auswirkt.

Im Vergleich zu mittleren Temperaturtrends ist es jedoch sehr viel schwieriger, Aussagen zu Extremen wie dem Hochwasser zu treffen. Während dem Weltklimarat IPCC zufolge die Erderwärmung eindeutig ist, besteht nur „geringes Vertrauen“ in Trendaussagen zur Hochwassergefährdung.

Dennoch ist seit Jahrzehnten ein massiver Anstieg der Hochwasserschäden in Europa und auch global zu beobachten. Das wird hauptsächlich auf sozio-ökonomische Entwicklungen zurückgeführt, insbesondere auf einen starken Anstieg der Werte (z.B. Gebäude und Infrastruktur) in überschwemmungsgefährdeten Gebieten. Aber auch ein Einfluss des Klimawandels wird für möglich erachtet.

Zunehmend wird über die Beeinflussung dieser Schadentrends durch Vulnerabilitätsveränderungen diskutiert. Dazu zählt die Entwicklung von Anpassungsstrategien, wie Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements. Für politische Entscheidungsträger ist es höchst relevant zu wissen, unter welchen Bedingungen und wie stark sich die oben genannten Schadentreiber tatsächlich auswirken. Daher ist die Panta-Rhei-Initiative der International Association of Hydrological Sciences (IAHS) sehr zu begrüßen, die darauf abzielt, weltweit Forschung zu Veränderungen in Hydrologie und Gesellschaft anzuregen und entsprechende internationale Kooperationen und Arbeitsgruppen zu fördern.

Ein innovativer Forschungsansatz ist dabei die umfassende systemische Betrachtung auf der großen Skala. Das Hochwasserrisikosystem ist komplex, da sich verschiedenste Prozesse auf unterschiedlichen Raum- und Zeitskalen überlagern: Physikalische Vorgänge in der Atmosphäre, in den Einzugsgebieten, in den Flusssystemen sowie sozio-ökonomische Prozesse. Beispielsweise werden Deiche gebaut, um die Hochwassergefahr zu mindern. Gleichzeitig können diese aber auch, aufgrund eines steigenden subjektiven Sicherheitsgefühls, zu verstärkter Bebauung und wirtschaftlicher Tätigkeit hinter den Deichen führen, und somit die Exposition signifikant erhöhen. In Gebieten mit hohen Schutzstandards hat die Bevölkerung möglicherweise kein Hochwasserrisikobewusstsein, ist nicht auf den Ernstfall vorbereitet und daher stark anfällig gegenüber Hochwasser, falls es zu einem Versagen der Schutzsysteme kommt. Auf der anderen Seite löst ein Hochwasser oft intensive Lernprozesse aus, so dass sich die Gesellschaft deutlich besser an das Risiko anpasst und auf kommende Hochwasser sehr viel besser vorbereitet ist.

Da das Hochwasserrisiko von einer Vielzahl zufälliger, schwer vorhersagbarer Prozesse abhängt, wie zum Beispiel von Deichbrüchen oder dem Einsatz mobiler Schutzsysteme, ist die Entwicklung von probabilistischen Methoden und Modellen sowohl für die Hochwassergefährdung wie auch für die Schadenmodellierung interessant. Hochwasserschäden können im Gegensatz zu anderen hydrologischen Parametern nicht gemessen werden und sind häufig auch nur unzureichend dokumentiert, weshalb die Validierung von Hochwasserschadenmodellen eine Herausforderung darstellt. Es ist jedoch essentiell, dass Unsicherheiten bei Hochwasserrisikoanalysen quantifiziert und ausgewiesen werden, damit Entscheidungen auf dem besten, gesicherten Wissen basieren.

In Anbetracht der ausgeprägten Dynamik im Hochwasserrisikosystem und hoher Unsicherheiten hinsichtlich zukünftiger Risikoprojektionen, ist es von großer Bedeutung, ein iteratives, anpassungsfähiges Risikomanagement zu entwickeln und fortzuführen. Dafür sollte ein kontinuierliches Monitoring der Kosten, das heißt aller Hochwasserschäden, aber auch der Investitionen in das Risikomanagement etabliert werden. Dadurch wird es möglich ineffiziente Risikomanagementstrategien und optimierte Anpassungen schnell zu erkennen. Ein effizientes Risikomanagement wird mit wachsenden Schäden aus Naturgefahren im Zuge des Klima- und des globalen Wandels immer wichtiger.

PD Dr. Heidi Kreibich

Leiterin der Arbeitsgruppe Hochwasserrisiko und Klimaanpassung in der Sektion Hydrologie am Helmholtz-Zentrum Potsdam, Deutsches GeoForschungsZentrum - GFZ
(26.11.2015)

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