Der DKK-Vorstandsvorsitzende Prof. Mojib Latif blickt auf die 23. UN-Klimakonferenz zurück. Die Verhandlungen in Bonn stellen der Wissenschaft neue Aufgaben, machen aber auch die Hilflosigkeit internationaler Klimapolitik sichtbar. Zwar wurde in Bonn ein neues Dialogformat beschlossen, aber eine messbare Reduktion der Treibhausgase ist noch immer nicht in Sicht – die Emissionen stiegen 2017 sogar wieder an.
Ein Editorial von Prof. Dr. Mojib Latif, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
Das Thema Klima beherrschte in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen. In Bonn trafen sich die Klimadiplomaten der Welt unter der Präsidentschaft der Republik Fidschi auf der 23. Weltklimakonferenz. Die Konferenz war der weiteren technischen Umsetzung des Pariser Klimaabkommens gewidmet. In Paris hatte man 2015 beschlossen, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Am Ende konnten sich die Mitgliedsstaaten in Bonn auf das Regelwerk („rule book“) verständigen. Im kommenden Jahr auf der COP 24 im polnischen Katowice soll es finalisiert und verabschiedet werden. Die klimadiplomatischen Hausaufgaben wurden erledigt.
Zentraler Punkt war dabei die Frage, wie die Staaten ihre Treibhausgasemissionen messen und darüber berichten. Damit will man sicherstellen, dass die Selbstverpflichtungen, die die einzelnen Staaten in Paris auf den Tisch gelegt haben, auch wirklich eingelöst werden. Spätestens seit „Diesel-Gate“ wissen wir alle, wie wichtig eine unabhängige Überprüfung ist. Das Messen und Zuordnen der Treibhausgasemissionen ist aber alles andere als trivial. In der Tat stellt die Überprüfung aus wissenschaftlicher Sicht immer noch eine Herausforderung dar. Es bedarf eines Systems, das Satellitendaten, bodengebundene CO2-Messungen und ein atmosphärisches Ausbreitungsmodell vereinigt. Die Wissenschaft hofft hier, in den kommenden Jahren wichtige Fortschritte zu erzielen.
Noch viel schwerer aber wiegt die Tatsache, dass die Selbstverpflichtungen längst nicht ausreichen. Sie entsprechen einer Erderwärmung von etwa drei Grad, schießen also weit über das im Pariser Abkommen vereinbarte Ziel hinaus. Wie zur Bestätigung platzte mitten in die zweiwöchigen Verhandlungen die Nachricht, dass die weltweiten Emissionen 2017 nach drei Jahren der Stagnation wieder steigen werden. Vorbei die Illusion einer Trendwende. Egal, was der Grund hierfür ist, als Naturwissenschaftler muss ich feststellen, dass die Weltgemeinschaft nach wie vor jährlich rund 50 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre emittiert und unser Kohlenstoffbudget so in circa 20 Jahren aufgebraucht sein wird – wenn wir das Versprechen von Paris halten wollen.
Das Zeitfenster schließt sich dramatisch schnell, was allen Beteiligten bestens bekannt ist. Weshalb die internationale Klimadiplomatie offenbar nicht müde wird, immer neue Instrumente zu erfinden, um die Staaten zu mehr Klimaschutz zu bewegen. Und so wundert es nicht, dass auch in Bonn eine neue Idee geboren wurde: der „Talanoa Dialog“.
Talanoa ist der fidschianische Begriff für einen Austausch mit allen Beteiligten. Der Dialog soll unter der Führung von Fidschi und Polen im Laufe des nächsten Jahres Beiträge aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenfassen. Der Dialog, so das Bundesumweltministerium auf seiner Website, „wird eine Bestandsaufnahme sein, die die Vertragsstaaten zu ehrgeizigerem Handeln motivieren soll, um die globale Klimaschutzlücke zu schließen“. Das Format wird den „Fazilitativen Dialog“ vorbereiten, mit dem 2018 der Stand der weltweiten Treibhausgasminderungsbemühungen erfasst werden soll.
Damit reiht sich der Talanoa Dialog in den Reigen immer neuer, kaum verständlicher Wortschöpfungen der Klimadiplomatie ein und offenbart vor allem eines: die Hilflosigkeit der internationalen Politik, die Treibhausgase wirklich zu reduzieren. Denn einen realen Klimaschutz gibt es nicht. Der würde sich darin zeigen, dass der Gehalt der Treibhausgase in der Luft weniger schnell wächst. Das Gegenteil aber ist der Fall. Wie lässt sich in einer multilateralen Welt das Unwesen der Trittbrettfahrer eindämmen? Reicht eine Mischung aus „Naming and Shaming“ und kleinen Anreizen, um Staatsoberhäupter zum Handeln zu bewegen? Wer kann eine Politik durchsetzen, die nicht nur Win-Win-Situationen, sondern auch Nachteile ̶ vielleicht sogar Verlierer, Verbote oder den Abschied von liebgewonnenen Gewohnheiten beinhaltet? Diese Fragen stellen sich mehr denn je und bisher scheint niemand eine Antwort darauf gefunden zu haben. Die Verantwortung hierfür liegt letztlich bei jedem Mitgliedsstaat des Pariser Abkommens selbst. Also auch bei Deutschland, das als eines der reichsten Länder der Welt glaubt, sich keinen Kohleausstieg leisten zu können.
Die Hoffnung bleibt, dass sich derzeit unter dem Radar der internationalen und der nationalen Klimapolitik in der Wirtschaft eine Innovationsdynamik entwickelt, die die politischen Trippelschritte überholt. Die weltweiten Investitionen in die Erneuerbaren Energien sind höher als in konventionelle Energien, internationale Konzerne – darunter die Unternehmen SAP, EnBW, E.ON, Siemens, Deutsche Börse, Deutsche Telekom, Hochtief – fordern von der deutschen Politik den Kohleausstieg und an der Börse müssen die Unternehmen Verluste hinnehmen, die auf fossile Energien setzen, während moderne Unternehmen immer höhere Werte erzielen. Die Zeiten, als man Klimaschutz wirtschaftsfeindlich nennen konnte, sind vorbei. Klimaschutz wird zum Treiber von Modernisierung und Innovation – nur die Politik scheint das kaum zur Kenntnis zu nehmen, wie die gescheiterten Sondierungsgespräche in Berlin gezeigt haben.
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Technologiewandel auf einmal rasend schnell vollzieht und ehemalige Marktführer ins Abseits drängt. Ein Foto von der Osterparade auf der 5th Avenue in New York aus dem Jahr 1900 zeigt einen Boulevard voll mit Pferdekutschen. Nur 13 Jahre später, der gleiche Boulevard am selben Feiertag: Keine einzige Pferdekutsche ist mehr zu sehen, sondern nur noch Automobile. Selbst die schönste Pferdekutsche konnte nur 13 Jahre später ganz offensichtlich keinen Abnehmer mehr finden.
Man kann nur hoffen, dass die Politik die Zeichen der Zeit erkennt und ihrer Verantwortung gerecht wird. Denn die schnelle Transformation in eine kohlenstofffreie Weltwirtschaft wird ohne kluge Politik nicht möglich sein.
Zum Autor
Prof. Dr. Mojib Latif ist DKK-Vorstandsvorsitzender. Er leitet den Forschungsbereich Ozeanzirkulation und Klimadynamik am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Stimmen zur COP 23 aus den DKK-Mitgliedseinrichtungen
24. November 2017
Bildnachweis: © GEOMAR, J. Steffen
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