Kolumne "Zur Sache"

Das bringt der Koalitionsvertrag dem Klima

Prof. Dr. Reimund Schwarze © UFZ

Die SPD-Mitglieder haben entschieden: 66 Prozent stimmten dem Koalitionsvertrag zwischen Union und Sozialdemokraten zu. Was das für das Klima bedeutet, analysiert der Klimapolitikexperte Reimund Schwarze.

Ein Editorial von Prof. Reimund Schwarze, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

„Du kannst nicht immer bekommen, was du willst“, singen die Rolling Stones, aber was bekommen wir in der Klimapolitik mit dem neuen Koalitionsvertrag überhaupt? Vieles, worauf sich die alten und neuen Großkoalitionäre geeignet haben, verschiebt die Streitpunkte in die Zukunft und in den gesellschaftlichen Diskurs – deshalb müssen wir umso besser wissen, was wir wollen.

Doch Schritt für Schritt. Was verspricht und was bringt der Koalitionsvertrag für die Klima- und Energiepolitik? Zunächst einmal mehr Ehrlichkeit. Die Koalitionäre von SPD, CDU und CSU gestehen ein, dass sie das klimapolitische Ziel für 2020 – trotz gegenteiliger Erklärungen im Wahlkampf – nicht einhalten können. Statt der angestrebten 40 Prozent Emissionsminderung sind es im Moment nur 32 Prozent, die mit den aktuellen Klimaschutzplänen erreicht werden. Das Ziel wird also deutlich verfehlt. Der Koalitionsvertrag verspricht „schnelle Besserung“, allerdings ohne ein konkretes Handlungsprogramm. Das Klimaziel für 2030 wird gesetzlich verankert, dann sollen 55 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als 1990. De facto heißt das „Weiter so“ und steigende absolute CO2-Emissionen bis in die frühen 2020er Jahre, statt jetzt anzufangen.

Eine Expertenkommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ soll in der kritischen Frage des Kohleausstiegs einen Plan mit einem konkreten Enddatum für die Kohle in Deutschland erarbeiten. Der soll allerdings in einem breit angelegten gesellschaftlichen Dialog „sozial- und wirtschaftsverträglich“ gestaltet werden. Realistisch heißt das unter Berücksichtigung der Widerstände aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen: Erste Kraftwerksstillegungen frühestens ab 2020 und ein endgültiger Ausstieg aus der Kohleverstromung nicht vor 2040. „Der Europäische Emissionshandel soll gestärkt werden“, schreiben die Koalitionäre. Doch die im Sondierungspapier zunächst noch enthaltene deutsch-französische Initiative zur Bepreisung von CO2 wurde aufgegeben zugunsten einer Politikperspektive „G20“ – also auch unter Einbeziehung der USA. De facto heißt das: Kein Mindestpreis für den EU-Emissionshandel in der Reformphase nach 2020 und kein globales Preisziel für CO2.

Neu ist der angestrebte Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von 65 Prozent bis 2030 (zuvor 50 Prozent) und ein Sofortprogramm mit Sonderkapazitäten für die Ausschreibung von Wind- und Photovoltaikanlagen an Land in Höhe von 4000 Megawatt. Das heißt: Schnell mehr Erneuerbare in Deutschland, aber in der Übergangsphase eine erhöhte Preisunsicherheit. Unklar bleibt auch, wie nach dem Hin und Her der letzten Legislaturperioden und bei den langen Planungszeiten für die Windkraft die fehlenden Anlagen aufgestockt werden sollen. Eine Expertenkommission soll’s  richten. Neu und richtig ist die verstärkte Förderung des Ausbaus der Kraft-Wärme-Kopplung in Deutschland. Gerade in städtischen Räumen bestehen hier erhebliche ungenutzte Potenziale.

Die private Elektromobilität bleibt im Programm der neuen alten Koalition, wurde aber richtungsweisend ergänzt um ein Ziel beim Ausbau der Infrastruktur: 100.000 Ladepunkte für E-Fahrzeuge bis 2020, davon 50 Prozent Schnellladestellen. Allerdings wird dieses politische Bekenntnis zur E-Mobilität im Nachsatz sogleich eingeschränkt: „Es ist von besonderer Bedeutung, dass der Weg zur nachhaltigen Mobilität technologieoffen und ohne politische Technologiefestsetzung erfolgt.“ Diesel-PKW soll es weiterhin in den Innenstädten Deutschlands geben; technische Nachrüstungen sollen im Rahmen der Luftreinhaltung nur angeordnet werden, soweit sie „wirtschaftlich vertretbar“ sind. Gefördert werden sollen stattdessen vor allem emissionsarme Busse und Bahnen. Die Mittel im Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz werden verdreifacht von 330 Millionen auf eine Milliarde Euro pro Jahr. Die Fahrgastzahlen der Deutschen Bahn sollen bis 2030 verdoppelt,  mehr Güter auf die Schiene verlagert und die Elektrifizierung der Bahn von jetzt 60 auf 70 Prozent bis 2025 erhöht werden. Das heißt, freie Fahrt fürs Auto und massiv mehr Geld für die Alternativen zum motorisierten Individualverkehr, also Busse und Bahnen.

Auch in der energetischen Gebäudesanierung soll es messbare Fortschritte geben. Denn im Moment hinkt Deutschland anderen europäischen Nationen wie Dänemark und den Niederlanden in diesem Bereich weit hinterher. Bis zu eine Milliarde Euro jährlich stehen dafür als Fördermittel im geplanten Gebäudeenergiegesetz zur Verfügung. Gegeben hat es diesen Vorschlag bereits in der alten Legislatur, jetzt kommt er erneut auf das politische Tapet. Allerdings gelten auch hier dieselben Einschränkungen im Nachsatz: Dieses Förderprogramm steht unter „dem Vorbehalt der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots“ – also viel Raum für erneute politische Aushandlungsprozesse. Es könnte also was werden, muss es aber nicht.

Alles im allem ein Paket mit Licht und Schatten. Nicht vier Jahre Stillstand, wie die Deutsche Umwelthilfe schreibt, sondern vier Jahre mit kontroversen, teils hitzigen Debatten um die Zukunft der Energie- und Klimapolitik in Deutschland stehen uns ins Haus. Wichtig ist, dass diese Debatten offen geführt werden und nicht hinter verschlossenen Türen in schwer verständlichen Kommissionspapieren.

 

Zum Autor
Prof. Dr. Reimund Schwarze  forscht als Umweltökonom am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)  in Leipzig.

 

23. Februar 2018

Bildnachweis: Prof. Dr. Reimund Schwarze © UFZ

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