Kolumne "Zur Sache"

Jeder Quadratkilometer Land zählt

Almut Arneth © KIT

Ohne die Ökosysteme auf den Landflächen der Erde könnte die Menschheit nicht überleben. Diese Grundlage unserer Existenz ist allerdings in Gefahr – zu diesem Ergebnis kommt der neueste Sonderbericht des Weltklimarats IPCC. Professorin Almut Arneth ist eine der Autorinnen. Sie erklärt die wichtigsten Ergebnisse – und auch was sich ändern muss.

Ein Editorial von Prof. Dr. Almut Arneth, Karlsruher Institut für Technologie

Die menschliche Population wächst. Gleichzeitig verändert sich auch das Konsumverhalten rapide: In vielen Teilen der Welt nimmt der Fleischkonsum pro Person zu, wie auch der Verbrauch von Kleidung und Holzprodukten. Dies hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einem stark erhöhten Bedarf an Landfläche für die menschliche Nutzung geführt, und zur Intensivierung der Anbaumethoden in der Landwirtschaft mit steigender Düngung und zunehmendem Wasserverbrauch. Für die Bewässerung wird heute etwa 70 Prozent des etwa aus Flüssen oder Seen entnommenen Oberflächenwassers verwendet. Ungefähr 23 Prozent der menschlichen Treibhausgasemissionen – berechnet für den Zeitraum von 2007 bis 2016 – stammen aus der Land- und Forstwirtschaft. Dieser Prozentanteil erhöht sich auf 25 bis 30 Prozent, wenn zusätzlich die Emissionen beispielsweise vom Nahrungsmitteltransport, der Lagerung oder Verarbeitung miteinberechnet werden. Diese Fakten aus zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen haben mehr als 100 Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt im neuen Sonderbericht zu Klimawandel und Landsystemen (SRCCL) des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zusammengefasst.

Aufgrund der sich beschleunigenden und nicht nachhaltigen Nutzung von Land ist das Landsystem bereits jetzt beispiellos stark beansprucht: Zwischen 70 und 75 Prozent der eisfreien Landoberfläche sind mehr oder minder intensiv vom Menschen beeinflusst und zum Teil stark gegenüber der natürlichen Vegetation modifiziert. Gleichzeitig macht sich aber auch der Klimawandel verstärkt bemerkbar: Der Anstieg der Jahresmitteltemperatur seit Ende das 19. Jahrhunderts, wenn nur über der Landoberfläche betrachtet, war fast doppelt so hoch, wie die durchschnittliche Erwärmung auf der ganzen Erde – das liegt daran, dass die Ozeane, global betrachtet, als Temperaturpuffer wirken. Die Erwärmung, vor allem auch die damit verbundenen Wetterextreme – wie ja auch in Europa sowohl im vergangenen als auch in diesem Jahr beobachtet werden konnten – führen zu einer Verstärkung vieler potenziell negativer Einflüsse: Bäume sterben durch direkte Hitzeeinwirkung oder durch erhöhten Stress durch Schädlinge; Missernten treten sogar im reichen Europa auf, wo eigentlich die technischen Möglichkeiten zur Anpassung vorhanden sind.

Daher ist es besorgniserregend, wenn Maßnahmen zur Klimawandelminderung auf großflächigem Anbau von Bioenergie oder großflächiger Aufforstung setzen, wie das ja vor rund einem Monat in der Öffentlichkeit einmal mehr ausführlich diskutiert wurde. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, würden ungefähr Flächen von durchschnittlich einem Drittel der heutigen Agrarfläche oder 10 bis 15 Prozent der Waldfläche benötigt. Es ist mit Blick auf die bereits bestehende intensive Landnutzug und das geschätzte zukünftige Bevölkerungswachstum nur schwer vorstellbar, wo diese Landfläche innerhalb von nur 10 bis 20 Jahren „herkommen“ soll – vor allem wenn Aspekte wie Landeigentum, aber auch Nachhaltigkeitskriterien realistisch betrachtet werden. Die Landfläche ist begrenzt, jede weitere vorgeschlagenen Nutzung führt zunächst schlicht zu Wettbewerb um Land. Eine so einfache Strategie hinsichtlich der Klimawandelminderung ist daher ganz klar unrealistisch und mit unkalkulierbaren Risiken verbunden.

Aber das heißt nicht, dass Landökosysteme zu Klimawandelminderung keinen substanziellen Beitrag leisten könnten und zwar ohne Nahrungsmittelsicherheit, Biodiversität oder andere Nachhaltigkeitsziele weiter zu gefährden. Die große Herausforderung liegt darin, an vielen Stellschrauben gleichzeitig zu drehen, die regional durchaus unterschiedlich sein können. Als erste Maßnahme sollte die weitere Abholzung natürlicher Wälder vermieden und andere kohlenstoff- und artenreiche Ökosysteme wie Savannen und Grasländer erhalten werden. Des Weiteren sollten Wäldern oder Feuchtgebiete renaturiert werden. Düngung und Bewässerung sollten begrenzt und gezielt eingesetzt werden, so dass sie dem tatsächlichen Bedarf seitens der landwirtschaftlichen Vegetation entsprechen. Bodenbearbeitung könnte so gestaltet werden, dass sie die Kohlenstoffspeicherung von Böden nicht weiter reduziert, sondern sogar wiederaufbaut – und vieles mehr. Diese produktionsspezifischen Aspekte können mit Maßnahmen, die die Verbrauchsseite adressieren, ergänzt werden: Verminderung der Nahrungsmittelverschwendung in der gesamten Kette, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verbraucher. Und generell ein bewussterer Verbrauch. Wenn solche Maßnahmen zeitnah gefördert und umgesetzt werden, dann kann das Landsystem bei der Klimawandelminderung mithelfen. Allerdings muss es auch ganz klar sein, dass Erwärmung nur begrenzt werden kann, wenn schnell und umfangreich die Verbrennung fossiler Brennstoffe stark reduziert wird.

 

 

Zur Autorin
Prof. Dr. Almut Arneth forscht am Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung, dem Campus Alpin in Garmisch-Partenkirchen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), und war koordinierende Leitautorin des Kapitels zu Rahmensetzung und Kontext des neuen IPCC-Sonderberichts zu Klimawandel und Landsystemen (SRCCL), der am 8. August veröffentlicht wurde. 

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13. August 2019

Bildnachweis: KIT


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