Kolumne "Zur Sache"

Ambitionierter Klimaschutz braucht mehr als klare Regeln

Konrad Gürtler © IASS, L. Ostermann

Warum die Weltgemeinschaft trotz der Verabschiedung des Regelwerks zum Pariser Abkommen mit den Ergebnissen der diesjährigen Weltklimakonferenz nicht zufrieden sein kann, zeigt Konrad Gürtler in seinem Rückblick. Der Politikwissenschaftler war bei den Verhandlungen in Katowice dabei.

Ein Editorial von Konrad Gürtler, Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung

Drei Jahre nach dem Klimagipfel von Paris haben sich die Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention im polnischen Katowice auf ein Regelwerk zum Pariser Abkommen verständigt. Diese „Bedienungsanleitung“ ist ein klarer Teilerfolg. Trotzdem sind die Ergebnisse der Klimakonferenz (COP 24) insgesamt unzureichend, da wir wissen, wie schnell sich die Weltgemeinschaft ändern muss, um die Folgen des Klimawandels zu bremsen.

Diese Dringlichkeit zum Handeln wurde vor und während des Gipfels noch einmal überdeutlich. Im Oktober hatte der Weltklimarat IPCC in seinem Sonderbericht gezeigt, welche Anstrengungen nötig wären, um die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen. Stattdessen steigt der Ausstoß von Treibhausgasen aus fossilen Brennstoffen und Industrie in jüngster Zeit wieder an – 2018 laut Prognosen des Global Carbon Project stärker als in den Jahren zuvor. In Bezug auf den 1,5-Grad-Bericht gab es nichtsdestotrotz Uneinigkeit: Einige Staaten – die USA, Russland, Kuwait und Saudi-Arabien – weigerten sich in der ersten Woche, den neuen Bericht gemeinsam mit den anderen Staaten angemessen anzuerkennen. Schließlich einigte man sich auf eine ambivalente Formulierung im Abschlussdokument, die Vertragsstaaten lediglich dazu „einlädt“, die Ergebnisse des Berichts in zukünftigen Diskussionen zu nutzen. Der Eklat zeigt die Politisierung der Forschungsergebnisse und offenbart, dass einige Staaten stärkere Vorbehalte haben, ihre künftigen Anstrengungen am 1,5-Grad-Ziel auszurichten.

Die polnische Präsidentschaft setzte auf der Konferenz unterdessen eigene Akzente. Das Gastgeberland – international nicht gerade für seine Klimaschutzambition bekannt – versuchte, die Themen Just Transition also gerechte Transformation, Elektromobilität sowie die Rolle von Wäldern als Senken für Treibhausgase zu betonen. Transformationsprozesse hin zu einer CO2-armen Wirtschaft gerecht zu gestalten ist ein wichtiger Baustein, um Widerstände überwinden zu können. Zugleich besteht momentan aber die Gefahr, dass ein enges Verständnis – eine gerechte Transformation nur für Arbeitende in fossilen Industrien – die Klimaschutzambition unterminiert. Jedenfalls darf dieses Argument nicht genutzt werden, um die notwendigen Veränderungen weiter zu verzögern. Ein breites Verständnis von Gerechtigkeit muss auch all jene einschließen, die bereits heute und erst recht in Zukunft unter den Folgen des Klimawandels zu leiden haben.

Bei den Verhandlungen zum Regelwerk selbst traten die üblichen Konfliktlinien zwischen den verhandelnden Staaten zutage. Besonders über die Frage nach der Differenzierung zwischen den Regeln für Industrie- und Entwicklungsländer wurde ausgiebig gestritten. Schließlich konnte man sich jedoch auf einen Text verständigen, der für beide Ländergruppen im Allgemeinen gleiche Regeln vorsieht. Flexibilität wurde den Ländern eingeräumt, denen die Kapazitäten fehlen, diese Regeln zu befolgen. Schwach sind die Regeln für Klimafinanzierung: Etwa können die entwickelten Länder Kredite in vollem Umfang zur Klimafinanzierung zählen. Aus Sicht der am stärksten von Klimawandel Betroffenen sind das schlechte Neuigkeiten. Beim Thema Marktmechanismen konnte gar keine Einigung erzielt werden. Daher wurde der Themenkomplex auf die nächste Klimakonferenz (COP 25) vertagt, die Ende 2019 oder Anfang 2020 in Chile stattfinden wird.

Alles in allem bleibt ein gemischtes Bild vom Gipfel in Katowice. Angesichts der geringen Erwartungen, der Komplexität der Verhandlungen und des Zustands der internationalen Diplomatie ist die Einigung auf das Regelwerk bereits ein Erfolg. Schaut man sich jedoch die gigantischen Herausforderungen durch den Klimawandel an, erscheint das Ergebnis der vergangenen Wochen eher zaghaft. Oder, wie es die 15-jährige schwedische Schülerin Greta Thunberg ausdrückt: „Wir können die Krise nicht lösen, wenn wir sie nicht als solche behandeln. Und auch nur, wenn sich politisches Handeln auf das konzentriert, was getan werden muss, und nicht auf das, was politisch möglich ist.“

 

Zum Autor
Konrad Gürtler arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) in Potsdam. Im Projekt „Klimaschutzmaßnahmen in nationalen und internationalen Prozessen (ClimAct)“ erforscht er, welchen Beitrag wissenschaftliche Expertise zum Klimaschutz in nationalen und internationalen Foren leisten kann. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf den Aktivitäten innerhalb der UN-Klimarahmenkonvention.

Mehr Informationen
Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unseren Mitgliedseinrichtungen waren beim Weltklimagipfel vor Ort. Eine Übersicht mit weiterführenden Informationen finden Sie auf unserer COP24-Website.

 

17. Dezember 2018

Bildnachweis: IASS, L. Ostermann

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