Kolumne "Zur Sache"

Klimaschutz in der Kantine

Alexander Popp © PIK, Karkow

Beim kommenden Klimagipfel Anfang Dezember fließen auch die beiden IPCC-Sonderberichte ein, die in diesem Jahr erschienen sind. Dr. Alexander Popp war als Leitautor am Bericht zu Klimawandel und Landnutzung beteiligt und schlägt in seiner Kolumne den großen Bogen vom Teller in der Kantine bis zu den COP25-Konferenzsälen in Madrid.

Ein Editorial von Dr. Alexander Popp, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Das Klimathema ist in aller Munde. Nicht nur, was die Stromerzeugung oder die Verkehrswende betrifft, sondern auch im Wortsinne: Der Rekordsommer 2018, die Hitzewellen im Juni 2019 aber auch die Fridays-for-Future-Bewegung haben den Zustand unseres Planeten unausweichlich zum Thema gemacht – und das Thema Fleischverzicht salonfähig. Laut wird überlegt, die verringerte Mehrwertsteuer auf Fleischwaren abzuschaffen – und debattiert, ob das sozial gerecht wäre. Vegetarische Ernährung ist zwar in relativen Zahlen ein Nischenthema, aber auch ökonomisch betrachtet ein nicht zu leugnender Ernährungstrend.

Der Sonderbericht des Weltklimarats zu Klimawandel und Landnutzung, der im August erschienen ist und bei der kommenden Weltklimakonferenz in Madrid einfließen wird, hat diese Debatte weiter angefüttert. Denn er zeigt, dass Landnutzung und Klimawandel sehr eng zusammenhängen. Was wir anbauen und welche Tiere wir halten, hat einen erheblichen Einfluss auf unser Klima. Und dabei geht es nicht nur um rülpsende Kühe.

Am Beispiel Deutschlands erklärt: Obwohl nicht besonders groß, ist Deutschland doch Agrarexportland für vielerlei Nahrungsmittel, von Weizen bis Schweinefleisch. Das setzt intensive Landwirtschaft voraus, und die basiert auf kräftiger Düngung, oftmals auch Überdüngung. Die führt vielerorts zu einem Überschuss an Stickstoff, der in die Böden gelangt, unser Trinkwasser belastet und der Artenvielfalt schadet. Weniger bekannt ist, dass dabei durch chemische Prozesse auch Lachgas entsteht und in die Atmosphäre abgegeben wird – gar nicht lustig, denn dieses Treibhausgas ist stark klimaschädlich.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Tierhaltung. Das liegt nicht nur an den viel diskutierten unmittelbaren Emissionen, etwa von Kühen. Sondern ebenso daran, dass noch immer Urwälder unter anderem im Amazonasgebiet gerodet werden, um Futtermittel wie Soja anzubauen, das auch in Deutschland zentraler Bestandteil der Intensivtiernahrung ist. Aber klar ist: Landwirte produzieren das, was die Konsumentinnen und Konsumenten möchten. Sie führen ein Unternehmen, das sein Angebot auf die Nachfrage ausrichten muss.

Die Nachfrage nach Fleisch können wir Verbraucherinnen und Verbraucher mit unserem Konsumverhalten beeinflussen. Dazu zählt erst einmal bessere Bedarfsplanung: Heute landen weltweit bestürzende 30 Prozent aller produzierten Lebensmittel in der Tonne. Gegen diese Verschwendung kann jede und jeder Einzelne etwas unternehmen. Darüber hinaus gibt es nicht zuletzt dank des Vegetarier-Trends viele schmackhafte Varianten, öfter mal seinen Teller zu füllen ohne ein Gramm Fleisch darauf, oder sich gar ganz vegan zu ernähren.

Und dennoch: Über die nachhaltige Landnutzung entscheidet am Ende nicht allein der Inhalt des Einkaufswagens oder die Bestellung in der Kantine. Die Formel für richtige Nutzung von Land, also die Balance von Anbauflächen für Nahrungsmittel oder Bioenergie, von Weideflächen für Tiere, Aufforstung oder Renaturierung von Mooren und so weiter, diese Balance kann von keiner Konsumentin und keinem Kantinengänger allein gefunden werden. Denn die Frage der Landnutzung ist größer als das. Sie betrifft nicht den Einzelfall, sondern das System. Hier ist die Politik gefragt.

So funktioniert Demokratie: Für Probleme, die der oder die Einzelne nicht lösen kann, werden Volksvertreterinnen und Vertreter gewählt. Diese können dann Regeln für alle setzen – konkret zum Beispiel eine Stickstoffüberschusssteuer oder strikte Regeln für den Schutz von Wäldern gegen Abholzung. Aber auch die Debatte über eine faire Bepreisung von Treibhausgasen mit Sozialausgleich ist hier wichtig. Wenn wir endlich alle Sektoren einbeziehen, von Transport bis eben auch Landwirtschaft, hätten wir ehrlichere Preise. Preise, die auch die Umweltkosten spiegeln – also die wahren Kosten eines Billig-Schnitzels.

Und so ist auch der Sonderbericht des Weltklimarats zu Klimawandel und Landnutzung zu verstehen: Als weltweiter wissenschaftlicher Konsens und als Entscheidungsgrundlage für die Politik, die bei den Verhandlungen auf der 25. Weltklimakonferenz dringend weiterkommen muss. Denn sie steht in der Verantwortung, die großen Räder zu drehen und gemeinsam ganzheitliche Lösungen zu finden, wie wir Emissionen reduzieren, CO2 speichern – und zugleich die Ernährungssicherheit einer wachsenden Weltbevölkerung nachhaltig sicherstellen können.

 

Zum Autor

Dr. Alexander Popp leitet die Forschungsgruppe zu Landnutzungsmanagement am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Er war als Leitautor am IPCC-Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme (SRCCL) beteiligt und hat seine Expertise in Kapitel 2 eingebracht.

 

6. November 2019

Bildnachweis: PIK, Karkow

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