Kolumne "Zur Sache"

Klimawandel stärker international in der Hochschullehre verankern

Studienangebote zum Klimawandel sind in Schwellen- und Entwicklungsländern selten – trotz großen Interesses der Studierenden. Können digitale Angebote helfen, dies zu ändern? Dr. Michael Lüken hat es mit dem Klima-MOOC des Deutschen Klima-Konsortiums ausprobiert und berichtet von seinen Erfahrungen.

Ein Editorial von Dr. Michael Lüken, International School of Economics at Tbilisi State University

Der Klimawandel betrifft alle Bereiche der Gesellschaft und sollte deshalb auch in der Lehre an Universitäten umfänglich verankert werden – eine weltweite Herausforderung. In den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern ist der Klimawandel bisher noch auf der Suche nach seinem Platz in den Hörsälen.

Mir bot sich im vergangenen Jahr die Möglichkeit, an der International School of Economics at Tbilisi State University (ISET) in der georgischen Hauptstadt Tiflis die Lehrveranstaltung „Climate Change Economics“ für Bachelor-Studierende aufzubauen. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Umbrüche prägen Georgien auch 30 Jahre nach Auflösung der Sowjetunion, dennoch verfolgt die Regierung ambitionierte Klimaziele, ist in der Umsetzung aber auf externe Expertise in Form internationaler Zusammenarbeit angewiesen.

An den georgischen Universitäten besteht großes Interesse, den Klimawandel stärker in den Curricula zu verankern, auch wenn vor Ort allenfalls punktuell dazu geforscht wird. Den Studierenden ist die Bedeutung des Themas ebenfalls bewusst, und mein Kurs stieß mit gut 70 Teilnehmenden auf große Resonanz.

Mit der Produktion eines frei zugänglichen englischsprachigen Massive Open Online Course (MOOC) wollte das Deutsche Klima-Konsortium gemeinsam mit der Umweltschutzorganisation WWF ein digitales und skalierbares Angebot schaffen, das es weltweit Universitäten erlauben soll, in Lehrveranstaltungen auf der interdisziplinären Expertise der deutschen Klimaforschung aufzubauen. Über 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den DKK-Mitgliedsinstitutionen vermitteln in gut 60 kurzen Videoclips fundiertes Grundlagenwissen über Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels sowie Lösungsstrategien. Eingebettete Quizfragen laden zur individuellen Überprüfung des Lernfortschritts ein.

Das MOOC diente in meinem Kurs dazu, das interdisziplinäre Fundament für die Vertiefung klimaökonomischer Inhalte herzustellen. Die Studierenden bereiteten jede Woche ein Thema anhand des MOOCs selbstständig vor – ergänzt um kurze Lehrvideos aus anderen Quellen zu speziellen ökonomischen Themen. Die wöchentliche Vorlesungszeit nutzten wir zur Klärung von Verständnisfragen, zur Diskussion und für einzelne Vertiefungen. Wir konnten dank des MOOCs in kurzer Zeit ein solides Grundverständnis erzielen, zum Beispiel über die Aussagekraft von Klimamodellen. Der Kurs soll auch in Zukunft jährlich angeboten worden. Im Herbstsemester werde ich aus der Ferne gemeinsam mit zwei Dozentinnen vor Ort unterrichten, um meine Erfahrungen weiterzugeben.

Die Arbeit mit dem MOOC stieß auf eine positive Resonanz der Studierenden: Eine tolle Abwechslung zu Büchern oder endlosen Präsentationen, so der Tenor. Ein MOOC – oder jedes andere digitale Format – allein ist allerdings keine Lösung: Die Pandemie machte die Grenzen eines komplett digitalen Lernumfelds sichtbar.

Mein persönliches Resümee: Die Aufgabe, den Klimawandel stärker international in der Hochschullehre zu verankern, wird durch das MOOC kein Selbstläufer – es braucht Initiativen vor Ort, um die Implementierung in die Curricula anzustoßen und persönlichen Austausch der Studierenden zu ermöglichen. Das MOOC eignet sich aber hervorragend als Fundament, um die interdisziplinäre Breite der Klimaforschung für die Lehre zu erschließen.

Eine Rückmeldung der Studierenden stimmt mich nachdenklich: Trotz ihres persönlichen Interesses am Klimawandel erwarten die meisten nicht, dass das Thema für ihre berufliche Zukunft relevant sein wird – nachvollziehbar, solange Fortschritte im Klimaschutz hauptsächlich auf Basis externer Expertise zustande kommen.

Das Interesse der Studierenden in Schwellen- und Entwicklungsländern am Klimawandel bietet ein großes, bisher kaum genutztes Potenzial. Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, dieses Potenzial durch entsprechende Studienangebote zu heben. Eine stärkere Verankerung des Klimawandels in der universitären Lehre ist für den Erfolg des globalen Klimaschutzes unverzichtbar. Denn sie trägt auf lange Sicht dazu bei, die internationale Zusammenarbeit durch lokale Klima-Expertise zu ergänzen.


Zum Autor
Dr. Michael Lüken wirkte als Mitarbeiter der DKK-Geschäftsstelle von 2014 bis 2016 an der Produktion des MOOCs mit. Seit 2020 ist er Gastprofessor an der International School of Economics at Tbilisi State University (ISET) in Tiflis, Georgien.



25. Mai 2021

Bildnachweis: M. Lüken

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