Um die Klimakrise zu bewältigen, brauchen wir eine große gesellschaftliche Transformation. Das ist machbar, aber die Hoffnung auf technologische Lösungen als auch soziologische Wundermittel ist vergebens, meint DKK-Vorstandsmitglied Professorin Anita Engels.
Ein Editorial von Prof. Dr. Anita Engels, Center for Sustainable Society Research, Universität Hamburg
Die Klimakrise wird immer noch vorrangig und reflexartig als naturwissenschaftliches Problem verstanden. Um sie zu bewältigen, liegt die Hoffnung meist auf technologischen Lösungen – Wasserstoff, CO2-Entnahme, E-Autos, die Beispiele sind endlos. Als Soziologin werde ich dann gerne gefragt, wie die Gesellschaft für die technologischen Lösungen gewonnen werden kann. Oder mit welchen konkreten Schritten, diese nötige Transformation jetzt gesellschaftlich genau so umgesetzt werden kann.
Sie werden es schon ahnen, darauf kann es aus der Forschung nur eine Antwort geben: Es gibt keine einfachen Lösungen – auch und besonders nicht in der Klima-Soziologie. In meiner Rolle als Professorin versuche ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen seit vielen Jahren, alternative Ansatzpunkte zu entwickeln. In Forschung, Lehre, Transfer und Beratung geht es mir darum, das sozialwissenschaftliche Verständnis von gesellschaftlichen Transformationsprozessen zu nutzen, um für den konkreten Fall zu einem besseren Verständnis zu kommen, was wie möglich ist. Dabei wird sofort sichtbar, dass Akzeptanz für ungeliebte Politikmaßnahmen nicht beschafft werden kann, sondern im besten Fall das Ergebnis eines gelungenen Politikprozesses ist.
Einsichten, die sich daraus ergeben: Es gibt keine einfachen technologischen Lösungen, die die erforderliche Transformation in der notwendigen Tiefe und Geschwindigkeit beibringen würden. Ja, die große gesellschaftliche Transformation, die wir brauchen, ist schwierig und komplex, und wir haben dafür kein Vorbild, an dem wir uns ausrichten könnten. Es handelt sich im Kern um ein politisches Problem, da es immer um die Fragen geht, wessen Lebensweisen unter Druck geraten, wer Zumutungen hinnehmen muss, wie diese Zumutungen kompensiert werden und wem Klimaschutz erleichtert wird.
Am wichtigsten ist es aus gesellschaftswissenschaftlicher Sicht, wenn Klimaschutz so betrieben wird, dass sich möglichst viele Gruppen und Schichten in der Bevölkerung Klimaschutz zu eigen machen können. Das passiert dann, wenn die Klimaschutzziele gut mit den eigenen Interessen und Prioritäten verknüpft werden können. Ob es um Bürgerenergiegenossenschaften geht, um klimafreundliche Geschäftsmodelle, um Reallabore oder um eine Stärkung kommunaler Verwaltungen – all diese Ansätze sind mindestens ebenso wichtig wie die Beschäftigung mit technologischen Optionen.
Zur Autorin
Prof. Dr. Anita Engels ist Professorin für Soziologie, insbesondere Globalisierung, Umwelt und Gesellschaft, Ko-Sprecherin des Exzellenzclusters „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) der Universität Hamburg und dort am Center for Sustainable Society Research aktiv. Sie ist unter anderem Mitglied des DKK-Vorstands und des Lenkungskreises der die Bundesregierung beratenden Wissenschaftsplattform Klimaschutz.
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17. Januar 2022
Bildnachweis: UHH
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