Kolumne "Zur Sache"

Waldkampf im Klimawandel

Henrik Hartmann © H. Hartmann

Der neue Bericht des Weltklimarats beschäftigt sich mit der Frage, wie wir uns an die Folgen des Klimawandels anpassen können. Die stellt sich genauso für die Wälder vor unserer Haustür. Forstwissenschaftler Henrik Hartmann plädiert dafür, wissenschaftliche Fakten statt eines fiktiven Waldidylls zur Grundlage einer nachhaltigen Strategie zu machen.

Ein Editorial von Dr. Henrik Hartmann, Max-Planck-Institut für Biogeochemie

Die Sommer 2018 und 2019 waren außergewöhnlich. Hitzerekorde wurden gebrochen, die Böden trockneten bis in tiefe Schichten aus. In der Folge wurden in Deutschland etwa 500.000 Hektar Wald zerstört – das ist fast die doppelte Fläche des Saarlands. Betroffen waren vor allem Fichtenbestände, die oft vom Borkenkäfer befallen waren. Aber auch die bisher als eher dürrerobust gegoltene Kiefer hat gelitten, genauso wie die Buche, bis vor einigen Jahren wurde sie oft als klimaresilient gepriesen. Hinzu kommt das Eschentriebsterben, die Rußrindenkrankheit beim Ahorn oder der Prozessionsspinner bei der Eiche. Absterberaten vieler Arten sind seit 2018 um ein Vielfaches gestiegen. Mit fortschreitendem Klimawandel wird es nicht nur heißer, auch die Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen steigt. Regional ist es noch schwer, Extreme wie Hitze und Dürre genau vorherzusagen, und die physiologischen Toleranzgrenzen der meisten Baumarten sind wenig oder nicht bekannt, was bisher auch nicht so wichtig war. Aber nun leidet der Wald, und seine Zukunft ist unsicher:

Jetzt stellt sich die Frage, wie wir den Wald erhalten können und genau hier spalten sich die Ansichten. Forstwirtschaft, Politik, Naturschutz, Bürgerinnen und Bürger diskutieren mit – meist mit ganz unterschiedlichen Standpunkten. Das hat gute Seiten, aber es zeigt sich auch, dass wir hier in Deutschland ein besonderes Verhältnis zum Wald haben: Bereits im Mittelalter wurden Gesetze und Verordnungen zur Nutzung des Waldes erlassen, diese haben sowohl Wertschätzung als auch Verklärung des Waldes gefördert. Schon das Waldsterben in den Achtzigern und die daraus resultierenden hitzigen Debatten haben dies unterstrichen. Somit ist es nicht ungewöhnlich, dass auch jetzt viel Emotion mitschwingt, wenn es um die Zukunft des Waldes geht.

Angetrieben von charismatischen Fernsehförstern wird hier viel nostalgische Verklärung betrieben: Ein gemischter Laubwald sei die Lösung, der könne mit dem Klima zurechtkommen. Und sowieso, der Wald sterbe nicht am Klimawandel, sondern an den Fehlern der forstwirtschaftlichen Massenbaumhaltung – der Wald käme ohne unser Zutun viel besser zurecht. Försterin oder Förster zu sein, ist im Moment keine dankbare Aufgabe.

Im Koalitionsvertrag der neuen Regierung steht, dass „artenreiche und klimaresiliente Wälder mit überwiegend standortheimischen Baumarten geschaffen werden“ müssen. Das hört sich zunächst einfach an, ist es aber nicht. Natürlich sind artenreiche Wälder prinzipiell resilienter, denn sollte eine Art ausfallen, überleben vielleicht andere. Angesichts des verstärkten Absterbens von Kiefer, Buche, Esche und anderer heimischer Arten scheint diese Strategie jedoch nur bedingt wirksam und wir brauchen eventuell auch andere, nicht-heimische Arten, die besser mit Hitze und Dürre umgehen können. Die Vorgabe, den „Einschlag in alten, naturnahen Buchenwäldern in öffentlichem Besitz“ zu stoppen, erscheint aus forstwissenschaftlicher Perspektive wenig zielführend, sind doch gerade alte und große Bäume besonders vom Absterben betroffen und müssen infolge von Schädigungen dann oft gefällt werden. Dass man zudem den Einsatz von Rückepferden zur bodenschonenden Waldbearbeitung fördern möchte, vermittelt bestenfalls Hilflosigkeit im Umgang mit der Waldkrise – wir brauchen weitreichendere und wirkungsvolle Maßnahmen, wenn wir diese Situation erfolgreich bewältigen wollen. Den Wald in dieser durch unser Handeln hervorgerufenen Krise sich selbst zu überlassen, ist inkonsequent und verantwortungslos. Als passionierter Wissenschaftler appelliere ich, alle forstrelevanten politischen Entscheidungen auf die Basis wissenschaftlicher Fakten und Erkenntnisse zu stellen – damit unser Wald für die Zukunft gerüstet ist.

Um dafür eine faktenbasierte Strategie zu erarbeiten, haben wir viel wissenschaftliche Expertise in der forstlichen Forschungslandschaft – an Lehrstühlen, Instituten und Forschungsanstalten. Gebündelt können diese zukunftsorientierte und nachhaltige Lösungen und Optionen erarbeiten. Dafür braucht es einerseits Strukturen und Förderung, andererseits Dialog und Zusammenarbeit von Wissenschaft und Politik. Eine anspruchsvolle und langwierige Aufgabe, denn es gibt keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme. Packen wir’s an!

 

Zum Autor
Dr. Henrik Hartmann ist Fortwissenschaftler und leitet die Forschungsgruppe „Plant Allocation“ am Max-Planck-Institut für Biogeochemie (MPI-BGC). Dort untersucht er die physiologischen Reaktionen von Bäumen auf Klimaextreme. Vorher war er in Kanada: Nach einer Lehre als Forstwart in Quebec folgte ein Bachelor-Studium in Forstwissenschaften in New Brunswick und eine Promotion in Waldökologie in Montreal. Hartmann ist Koordinator der Task-Force „Monitoring of Global Tree Mortality“ der International Union of Forest Research Organizations und des International Tree Mortality Network – beide Initiativen befassen sich auf globaler Ebene mit dem Baumsterben.

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28. Februar 2022

Bildnachweis: H. Hartmann

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