Kolumne "Zur Sache"

Wie Klimapolitik geht, die Menschen mitnimmt

Fritz Reusswig © PIK

Wenn es um konsequenten Klimaschutz geht, ist die deutsche Gegenwartsgesellschaft gespalten. Zu diesem Ergebnis kommt der Soziologe Fritz Reusswig mit seinem Kollegen in einer Studie zur Resonanzfähigkeit von Klimapolitik. Einen Politikwechsel kann es in einer Demokratie aber nur geben, wenn wir es schaffen, mehr Menschen für Klimaschutz und Anpassung zu gewinnen. Ideen dazu diskutiert Reusswig in dieser Kolumne.

Ein Editorial von Dr. Fritz Reusswig, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

In der Klimaforschung wissen wir: Das Thema Klima – Klimaschutz genauso wie Klimaanpassung – hat seine Konjunkturen. Lange Jahre bekam es nicht viel öffentliche Aufmerksamkeit. Das ändert sich etwa seit 2019 mit den Fridays-for-Future-Protesten und erlebt immer wieder Hochphasen anlässlich von Ereignissen, ein Beispiel sind die Starkniederschläge und Flutkatastrophe im Westen Deutschlands im Sommer 2021. Gut verfolgen kann man diese Themenkonjunkturen bei der „Beobachtungsstelle“ für weltweite Medienberichtserstattung zum Klimawandel MECCO.

Die Frage ist, warum sich solche Konjunkturen der öffentlichen Aufmerksamkeit für das Thema Klima entwickeln und was sie beeinflusst. Anders formuliert: Wie entsteht gesellschaftliche Resonanz für Klimawandel und Klimapolitik? Damit befasst sich eine neue Studie, die ich gemeinsam mit meinem Soziologie-Kollegen Christoph Schleer vom Sinus-Institut im Auftrag der Wissenschaftsplattform Klimaschutz (WPKS) erstellt habe.

Resonanz ist ein physikalischer Begriff, der insbesondere in der Akustik Verwendung findet. Aber er lässt sich auch mit Gewinn auf gesellschaftliche Zusammenhänge übertragen, wenn man deren Besonderheiten im Blick behält. In der Soziologie haben sich der 1998 verstorbene Niklas Luhmann (Universität Bielefeld) und, vor allem, Hartmut Rosa (Universität Jena) mit dem Phänomen befasst.

Wir untersuchen in unserer Studie mit Hilfe dieses Begriffs, wie der menschengemachte Klimawandel als primär wissenschaftliches Phänomen vermittelt über massenmediale Berichte und politische Entscheidungen seinen Weg in die Gesellschaft gefunden hat – und wie es dort weitergehen könnte. Dazu greifen wir unter anderem auf den Milieu-Ansatz des Sinus-Instituts zurück, der sich in der empirischen Sozialforschung aufgrund seiner Verknüpfung qualitativer und quantitativer Methoden etablieren konnte. Die Sinus-Milieus fassen Menschen mit ähnlichen Werten und einer vergleichbaren sozialen Lage zu Gruppen „Gleichgesinnter“ zusammen.

Die „Milieu-Brille“ zeigt: Wenn es um konsequenten Klimaschutz geht, ist die deutsche Gegenwartsgesellschaft gespalten. Auf der einen Seite wird dieser teilweise vehement unterstützt durch die Milieus der Postmateriellen, der Neo-Ökologischen („Protest und Party“) und teilweise auch der Konservativ-Gehobenen. Skeptisch bis ablehnend stehen einem konsequenten Klimaschutz dagegen die Milieus der Prekären („zu teuer“), der Nostalgisch-Bürgerlichen („zu Status-bedrohend“) und der Hedonisten („Klimaschutz ist eine Spaßbremse“) gegenüber. Populistische Anti-Klima-Narrative fallen hier auf besonders fruchtbaren Boden, dies sollte jedoch nicht falsch verstanden werden: Es geht nicht primär um Klimawandel-Leugnertum, sondern vor allem um die wahrgenommenen Kosten sowie die sozialen und ökonomischen Nebenfolgen von Klimapolitik. Etwa der Frage, wie die Mehrkosten bei der Ausgestaltung von Wärme- oder Verkehrswende verteilt werden. Was man bisweilen als Zögern der Politik wahrnehmen kann, hat hier seine sozialen Gründe. Einen Politikwechsel zu mehr und vor allem konsequenterem Klimaschutz kann es in der Demokratie nur geben, wenn wir es schaffen, diese skeptischen und ablehnenden Milieus für mehr Klimaschutz und Anpassung zu gewinnen.

Die Studie versucht deshalb, Vorschläge in diese Richtung zu machen und fokussiert sich dabei in erster Linie auf die Bereiche Kommunen sowie kleine und mittlere Unternehmen. Nur 25 Prozent der kommunalen Wirtschaftsförderer, so ein von der Studie zitierter Befund, kümmern sich überhaupt um das Themenfeld Nachhaltigkeit – 75 Prozent tun das also nicht. Hier müssen wir dringend etwas ändern. Die Studie versucht außerdem, Ansatzpunkte für ein Umdenken in den „Ablehner-Milieus“ zu identifizieren. Denn wir dürfen nicht den Fehler eines umgekehrten Populismus machen. Wo der Populismus aus Gegnern Feinde werden lässt, müssen wir uns bemühen, Feindbilder zu vermeiden, Gegnerschaft zu identifizieren, Gründe dafür aufzuspüren und zu einer sozial gerechten Ausgestaltung ambitionierter Klimapolitik zu kommen.

 

Zum Autor
Dr. Fritz Reusswig arbeitet am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und beschäftigt sich mit verschiedenen Facetten urbaner Transformationen im Kontext des Klimawandels. Als interdisziplinär arbeitender Soziologe mit philosophischem Hintergrund liegt ein Schwerpunkt seiner Arbeit auf Lebensstil- und Konsumfragen als Treiber für globale Umweltveränderungen – insbesondere dem Klimawandel – und der Frage, welche Veränderungen an Lebensstilen und Konsummustern für einen systemweiten Nachhaltigkeitstransfer notwendig sind.

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15. Juni 2022

Bildnachweis: PIK

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