Wir leben mitten in einem sich stark verändernden Klima und kämpfen mit Extremwetterereignissen. Wir lernen, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Zu diesen Themen forschen wir am UBA, informieren die Öffentlichkeit, vollziehen Umweltrecht und beraten die Politik. Besonders wichtig ist uns dabei: Politikberatung muss sich verändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen im Blick haben, um erfolgreich sein zu können.
Ein Editorial von Prof. Dr. Dirk Messner, Umweltbundesamt.
Zunächst ein kurzer Blick in die Geschichte: In meinem Geburtsjahr 1962 lag die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei knapp 320 ppm (parts per million, also Millionstel) und damit schon ca. 40 ppm über den Werten aus vorindustrieller Zeit. 2020 wurde ich Präsident des UBA und wir waren bereits bei knapp 415 ppm. Das bedeutet, dass sich die menschengemachte CO2-Konzentration in der Atmosphäre in den vergangenen rund 60 Jahren, also während meiner Lebenszeit, um weitere 95 ppm erhöht hat. Angesichts der durch diese Treibhausgase verursachten globalen Erwärmung ist es nicht verwunderlich, dass wir immer mehr Wetterextreme und Temperaturrekorde erleben. Für Mensch und Umwelt ist das eine schlechte Nachricht.
Die gute Nachricht ist, dass sich seit den 1960er Jahren auch im Klimaschutz einiges getan hat. 1988 gründeten die Weltorganisation für Meteorologie und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen den Weltklimarat (IPCC) – bei der Erstellung und an der Regierungsbegutachtung der IPCC-Berichte ist das UBA intensiv beteiligt. Nach der Konferenz von Rio 1992 war das UBA in die inhaltliche Umsetzung der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) involviert, die das gemeinsame Ziel formulierte, den Treibhausgasausstoß auf einem Niveau zu stabilisieren, bei dem eine gefährliche vom Menschen verursachte Störung des Klimasystems verhindert wird.
Das Umweltbundesamt (UBA) zeigte bereits 1979 auf, dass der Mensch das Klima verändert. Schon damals wiesen wir darauf hin, dass es ab dem Jahr 2000 zu einer nachweisbaren globalen Erderwärmung kommen kann. Inzwischen ist das Thema allgegenwärtig. Seit vielen Jahren forschen wir und beraten die Politik zu klimafreundlichen Zukünften für Deutschland, die EU und die gesamte Welt. Bei den internationalen Klimakonferenzen sitzen unsere Fachleute am Verhandlungstisch und setzen sich für die global gerechte Umsetzung des Übereinkommens von Paris ein. Wir sprechen uns für ambitioniertere Minderungsziele in den nationalen Klimaschutzplänen und für die Vorreiterrolle beim Klimaschutz aus, die Deutschland aufgrund historischer Verantwortung, aber auch in Hinblick auf seine zukünftige Wettbewerbsfähigkeit in einer kohlenstoffneutralen EU-Wirtschaft spielen sollte. Als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik bereiten wir den aktuellsten Forschungsstand so auf, dass die Politik informierte Entscheidungen treffen kann, sei es zu Änderungen im Klimasystem und deren Folgen, der Evaluierung naturbasierter und technologischer Lösungsansätze oder zu wirtschaftlichen und sozialen Fragen.
Das Umweltbundesamt verdeutlicht regelmäßig anhand von wissenschaftlich fundierten Studien die Folgen des ungebremsten Klimawandels. 2021 veröffentlichte das UBA die Klimawirkungs- und Risikoanalyse des Bundes, die gemeinsam von 25 Bundesbehörden und -institutionen im Behördennetzwerk „Klimawandel und Anpassung“ erarbeitet wurde. Es ist unbestritten, dass wir als Gesellschaft jetzt handeln müssen, um tödlichen Hitzebelastungen, besonders in Städten zu begegnen. Und wir müssen sowohl gegenüber Wassermangel im Boden und häufigere Niedrigwasser mit schwerwiegenden Folgen für alle Ökosysteme, die Land- und Forstwirtschaft sowie den Warentransport, als auch gegenüber Starkregen, Sturzfluten und Flusshochwasser vorsorgen.
Die Flutkatastrophe im Ahrtal führte uns allen die immensen Schäden und das Leid vor Augen, die mit dem Klimawandel einhergehen können. Daraufhin formulierten wir Politikempfehlungen, die einen notwendigen verbesserten Gesetzes- und Förderrahmen aufzeigen und die Umsetzung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel wesentlich verbessern würden. Das UBA schlug ein Bundesklimaanpassungsgesetz und eine Gemeinschaftsaufgabe Klimaanpassung vor. Ersteres trat zum 1. Juli 2024 in Kraft, die gemeinschaftliche Finanzierung von Klimaanpassungsmaßnahmen durch Bund und Länder wird noch verhandelt. Klar ist aber auch, dass es Grenzen der Anpassung gibt. Misslingt der Klimaschutz, steigen die Kosten der Anpassung, die Unsicherheiten für die Bevölkerung und die Zahl von Extremereignissen.
Umweltschutz soll die Grundlage für unseren Wohlstand sein. Gleichzeitig muss er von den Menschen getragen werden. Das bedeutet: Politikberatung kann nur gelingen, wenn die Lösungen für Klimaschutz und Anpassung an die Folgen des Klimawandels gesellschaftlich akzeptiert und sozial gerecht ausgestaltet werden. Deshalb setzt sich das UBA mit aller Kraft für eine Klimaprämie ein, damit die Einnahmen aus dem CO₂-Preis wieder an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen.
Aktuell berät und unterstützt unser Haus die Erarbeitung einer neuen vorsorgenden Klimaanpassungsstrategie des Bundes. Dazu haben wir gemeinsam mit dem Umweltministerium zu Dialogen mit Bürgerinnen und Bürgern eingeladen. Es wurde deutlich, dass sich die Menschen von den Folgen des Klimawandels bereits direkt betroffen fühlen und zu Lösungen beitragen wollen. Insbesondere wenn es um das eigene grüne und gesunde Lebensumfeld geht, ist gemeinschaftliches Engagement vorhanden. Dieses Potenzial sollten wir nutzen, um gemeinsam lebenswerte klimaresiliente Städte und Gemeinden zu gestalten.
Um in diesem Sinne Umweltpolitik vor Ort sicht- und greifbar zu machen und den Dialog mit den Menschen zu suchen, haben wir das Jubiläum des Umweltbundesamtes als ein Fest für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Dessau-Roßlau begangen. Knapp 3.000 Menschen sind unserer Einladung ins UBA am 15. Juni 2024 gefolgt. Dieser persönliche Kontakt ist uns wichtig, denn Politikberatung kann nur gelingen, wenn die Handlungsvorschläge von den Menschen verstanden und mitgetragen werden.
Über den Autor:
Prof. Dr. Dirk Messner leitet das Umweltbundesamt seit 01.01.2020. Zuvor war er Vize-Rektor des „Institute for Environment and Human Security“ an der Universität der Vereinten Nationen (UNU) in Bonn, Ko-Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen (WBGU) der Bundesregierung und Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklung und Nachhaltigkeit (IDOS).
13.11.2024
Bildnachweis: Susanne Kambor, UBA
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