DKK-Jahrestagung: Doppelkrise Klima & Biodiversität: Wege zur Integration
Am 27. März 2025 fand in Berlin die diesjährige Jahrestagung des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK) unter dem Titel “Doppelkrise Klima & Biodiversität: Wege zur Integration” statt. Im Mittelpunkt der Tagung stand die Forderung nach einer stärkeren Verzahnung der Themen Klimaschutz und Biodiversität in der wissenschaftlichen Forschung sowie in der nationalen und internationalen Politik.
Die Tagung wurde durch zwei Vorstandsmitglieder des Deutschen Klima-Konsortiums eröffnet: Prof. Dr. Thomas Hickler, Senckenberg Biodiversität und Klimaforschungszentrum und Prof. Dr. Markus Reichstein, Max-Planck-Institut für Biogeochemie Jena. Hickler und Reichstein betonten, dass ein isolierter Klimaschutz Umweltprobleme verlagern statt lösen kann und ein alleiniger Fokus auf Kohlenstoff zu Fehlanreizen führt. Zudem benannten sie Risiken von z.B. Aufforstungsprojekten in hierfür ungeeigneten Regionen des Globalen Südens, die natürliche Ökosysteme gefährden. In ihrer übergeordneten Einführung in die Tagung kontextualisierten Hickler und Reichstein die Bedeutung der Zusammenführung der Themen Klima und Biodiversität sowohl für die Wissenschaft wie auch für die Politik.
Im Anschluss folgten zwei wissenschaftliche Keynotes, die aktuelle Forschungsergebnisse und Lösungsansätze präsentierten. Prof. Dr. Christian Wirth, Pflanzenökologe, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung und Universität Leipzig, sprach in seiner Keynote Speech über die ökologischen Wechselwirkungen zwischen Klimawandel und Biodiversität. Er nannte die wichtigsten Treiber von Biodiversitätsveränderungen: Lebensraumverlust, Stickstoffeinträge, Schadstoffe und schließlich der Klimawandel. Mit Bezug auf den im letzten Jahr erschienenen Faktencheck Artenvielfalt betonte Wirth, dass sich biologische Vielfalt überwiegend positiv auf den natürlichen Klimaschutz auswirke.
Prof. Dr. Ruth Delzeit, Geographin und Agrarökonomin, Universität Basel, analysierte in ihrer Keynote Speech die ökonomischen Aspekte und Steuerungsinstrumente für eine nachhaltige Landnutzung. Sie betonte, dass eine Forschungsintegration nicht nur innerhalb der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften, sondern auch zwischen diesen Disziplinen erforderlich ist. Eine fächerübergreifende Forschung biete spannende Möglichkeiten, brauche aber bessere Strukturen und langfristige Fördermechanismen. Darüber hinaus bedarf es einer Stärkung des Dialogs zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis.
In vier parallelen Workshops diskutierten die Teilnehmenden zentrale Fragestellungen der Klimaschutz- und Biodiversitätspolitik. Im ersten Workshop „Biodiversität und Klimaschutz: Trade-offs und Synergie“ konstatierten die Teilnehmenden, dass Biodiversitätsmaßnahmen in den meisten Fällen vorteilhaft für Emissionsminderungen sind. Nun gelte es, Wechselwirkungen weiter zu erforschen und Referenzmodelle anzupassen. Im zweiten Workshop „Finanzierung von Ökosystemleistungen“ wurde der freiwillige Charakter der Biodiversitätsfinanzierung hervorgehoben. Dabei entstehe durch freie Märkte häufig ‚heiße Luft‘ und Greenwashing. Angesichts der aktuellen Lage müsse der Staat regulierend eingreifen. Dabei sei es essentiell, indigene Perspektiven stets zu berücksichtigen. Im dritten Workshop „Klimaanpassung und Nature-based Solutions“ wurde die Vision einer multifunktionaleren Landwirtschaft skizziert. Diese schütze Bodenfunktionen und Biodiversität und weise zugleich einen geringen Verlust an Produktionsleistung auf. Im vierten Workshop ging es um eine Integration von Narrativen über Klima und Biodiversität. Es wurde die Bedeutung von Emotionen im Bereich der Wissenschaftskommunikation erklärt und die These aufgeworfen, ob die Klimakommunikation in Zeiten von Populismus nicht einiges von der Naturschutzkommunikation lernen könne. Der Wald wurde als mögliches Thema für ein integriertes Narrativ identifiziert, da er Erholung, Wirtschaft und Heimat symbolisiere und dabei für Klima- und Biodiversitätsaspekte verknüpfe.
Ein Höhepunkt der Tagung war die Vorstellung des „Augsburger Aufrufs“ durch Prof. Dr. Angela Oels, DKK-Vorsitzende und Zentrum für Klimaresilienz der Universität Augsburg. Die Initiative fordert eine stärkere Einbindung der Gesellschaftswissenschaften in die Klimaforschung und war zur Zeit der Tagung bereits von mehr als 220 Wissenschaftler:innen unterzeichnet worden. Hier finden Sie mehr Informationen zum Augsburger Aufruf.
Am Nachmittag unterstrich Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die Bedeutung eines integrativen Ansatzes für Klimaschutz und Biodiversität in der Politik. Er legte unter anderem dar, welche Wichtigkeit eine stärkere Kooperation der drei großen Rio-Konventionen (UNFCCC, UNCBD, UNCCCD) haben könne. Zudem betonte er die völkerrechtliche Verbindlichkeit der bei den Vereinten Nationen hinterlegten Klimaziele. Mit Blick auf die nationale Ebene sprach er sich für das kürzlich im Bundestag verabschiedete Sondervermögen für Infrastruktur aus. Auch wenn dieses nicht primär einen Klima- und Umweltbezug habe, sei es nun entscheidend, durch Sanierungen von Schulen und Brücken das Vertrauen vieler Bürger:innen zurückzugewinnen.
Den Abschluss der Tagung bildete eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion mit vier Expert:innen zu den Chancen und Herausforderungen einer Integration von Klima- und Biodiversitätspolitik, moderiert von der Journalistin und Autorin Dr. Tanja Busse.
Sabine Riewenherm, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, stimmte zwar der übergeordneten Botschaft des Vormittags der Tagung zu, dass fast alle Formen von Biodiversitätsschutz sich sehr positiv auf Klimaschutz und -anpassung auswirken. Umgekehrt sei es aber nicht so, dass Klimaschutz der beste Weg zum Biodiversitätsschutz wäre. Sie schlug zudem vor, dass es der politischen Akzeptanz zuträglich sei, nicht nur über Klimaschutz, sondern immer auch über Klimaanpassung zu sprechen. Einigkeit bestand darin, dass die bisherigen Anreize in der Agrarpolitik, neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten aufzubauen, bei denen sich Klima- und Biodiversitätsschutz lohnen, nicht ausreichen. Jutta Paulus, MdEP Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament, hob hervor, dass die letzte Reform der Europäischen Agrarpolitik nicht weit genug gegangen sei. Auch die jetzt neu vorgelegten Reformvorschläge seien nicht ausreichend progressiv. Dr. Greta Gaudig, Greifswald Moor Centrum betonte, dass Moore 7% der landwirtschaftlichen Fläche aber 40% der Emissionen des Sektors darstellen. Es seien 65.000 ha Wiedervernässung erforderlich. Aber: 90% der Moore sind Nutzfläche. In Greifswahld haben sie daher das Konzept der Paludikultur entwickelt, mit dem Wiedervernässung und Nutzung versöhnt werden könnten. Prof. Dr. Harald Grethe, Humboldt-Universität zu Berlin & Agora Agrar, merkte jedoch an: Wenn jemand bisher mit z.B. Viehhaltung sein Geld verdienen würde, wird sie/er mit Paludikultur nicht die gleichen Umsätze machen können. Daher müssten auch die Mittel der Agrarförderung stärker auf Biodiversität und Klimaschutz in der Landwirtschaft fokussiert werden. Hierfür sieht Jutta Paulus die derzeitige politische Großwetterlage jedoch kritisch. Harald Grethe konstatierte weiter, dass die Klimadebatte der Biodiversitätsdebatte voraus sei, weil der einfache und griffige Indikator „Global Warming Potential“ in der Argumentation ungemein helfe. Ein vergleichbarer Indikator fehle in der Biodiversitätsdebatte.
Zum Abschluss fassten die DKK-Vorstände Prof. Dr. Thomas Hickler und Prof. Dr. Markus Reichstein die zentralen Ergebnisse der Tagung zusammen. Einigkeit bestand darüber, dass politisches Handeln dringend erforderlich ist, um Synergien zwischen Klima- und Biodiversitätspolitik besser zu nutzen. Zum Beispiel könne eine Initiative aus der Wissenschaft lohnenswert sein, um dem Beispiel der Konvention für Biologische Vielfalt (CBD) folgend die Querbezüge zu den jeweils anderen Rio-Konventionen (UNFCCC, UNCCD) auszubuchstabieren und durch Forschung zu untermauern. Die auf der Tagung diskutierten Empfehlungen könnten zudem wissenschaftlich und kommunikativ aufgearbeitet und aktiv in politische Entscheidungsprozesse in Deutschland und auf der EU-Ebene eingebracht werden.