Anders als der informatisch vorgebildete Computerlaie denkt der Klimaforscher bei dem Stichwort Cloud Computing an die Berechnung der extrem chaotischen Gebilde am Himmel. Am Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) haben wir es mit beiden Aspekten zu tun: riesige Datenmengen und definierte Zugriffsrechte einer weltweit agierenden Forschergemeinschaft auf der einen und Hochleistungsrechner, die (unter anderem) zur Modellierung von Wolkenbildung und Niederschlagsereignissen eingesetzt werden, auf der anderen Seite.
Doch beginnen wir am Anfang: Das DKRZ ist die nationale Einrichtung, die ausschließlich für das Verständnis des Klimas und den zukünftig erwarteten Klimawandel arbeitet. In den mehr als 27 Jahren seines Bestehens hat das Zentrum etwa alle 5-6 Jahre seine Rechner- und Speicherinfrastruktur erneuert, denn Anforderung und Umfang von Klimamodellen steigen ständig. Nach einer vierjährigen Planungsphase ist es nun wieder so weit: Das neuen System, genannt Mistral, wird soeben aufgebaut und soll Klimawissenschaftlern ab Juni 2015 als neues Arbeitspferd zur Verfügung stehen.
Der technische Fortschritt ist groß: Die maximale Rechenleistung erhöht sich bis Sommer 2016 etwa um den Faktor 20 auf einen Wert von ungefähr 3 PetaFLOPS – das sind 3.000.000.000.000.000 Gleitkommaoperationen pro Sekunde. Im Vergleich dazu: der Mensch schafft nur etwa 0,01 FLOPS. Die Ergebnisdaten der Klimasimulationen können dann auf annähernd 8.000 Festplatten gespeichert und ausgewertet werden, die zusammen ein Fassungsvermögen von 50 PetaByte haben. Dies entspricht der Speicherkapazität von 50.000 gut ausgestatteten Notebook-Computern! Worauf wir besonders stolz sind: Trotz der enormen Leistungssteigerung ist der Stromverbrauch im Vergleich zum Vorgängermodell Blizzard sogar leicht gesunken, nämlich auf ca. 1,3 MW. Dies ist insbesondere einem neuen Betriebs- und Kühlkonzept zu verdanken: Ein stabiler Betrieb der neuen Computer ist auch bei höheren Arbeitstemperaturen möglich, und eine so genannte Warmwasserkühlung erlaubt ganzjährig und ohne elektrische Kühlaggregate, die entstehende Rechnerwärme abzuführen.
Wie bei jeder neuen Rechnergeneration können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch mit diesem System in neue Dimensionen vorstoßen. Durch die Erhöhung der räumlichen und zeitlichen Auflösung der Klimamodelle können Prozesse erfasst werden, die bisher buchstäblich durch die Maschen fielen. Ebenso lassen sich dadurch mehr Prozesse in das Klimageschehen einbeziehen, so dass man komplexere Szenarien und bisher nicht betrachtete Wechselwirkungen untersuchen kann. Schließlich können mit diesen leistungsstarken Rechnern auch sogenannte Ensemble-Rechnungen durchgeführt werden, was die Unsicherheit in Klimaprojektionen weiter verringert. Die Genauigkeit von Klimasimulationen steht also immer in Relation zur Leistungsfähigkeit der IT-Systeme. Das Besondere am DKRZ ist, dass sich die beiden Forschungsgebiete durch die konstante Zusammenarbeit gegenseitig befruchten.
Die andere Seite: das DKRZ wird durch den Ausbau des Speichers zu einem der größten Datenzentren weltweit. Unter dem Begriff Big Data, den wir eher als datenintensive Wissenschaft interpretieren, gewinnt die Weiterverwertung von Daten an Bedeutung. Forscher möchten weltweit auf solche Datenpools zugreifen können, um ausgewählte Ergebnisse bestimmter Simulationen als Anfangsdaten zur Modellierung weiterer Fragestellungen zu verwenden. Ein neuer Schwerpunkt für die Dienstleistungen des DKRZ besteht deshalb heute darin, Daten geeignet zu verwalten, zu archivieren und sie dann auf Basis neuer technischer Lösungen weltweit nutzbar zu machen.
Und hier schließt sich der Kreis: die Simulationsdaten, der Rohstoff der Erkenntnisgewinnung für den Klimamodellierer, werden mit Zugriffsmechanismen aus dem Bereich des Cloud-Computing für eine weltweit agierende Forschergemeinschaft zur Verfügung gestellt werden. Eben Cloud Computing zum Cloud Computing.
Prof. Dr. Thomas Ludwig
(22.04.15)
Prof. Dr. Thomas Ludwig ist Direktor des Deutschen Klimarechenzentrums (DKRZ) in Hamburg.
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