Column - On the Subject

Der Wert der Statistik für die Klimaforschung

Dr. Christian Franzke © UHH/CEN

Globale Mitteltemperatur, lokale Schwankungen, komplexe Klimamodelle – hinter diesen zentralen Begriffen der Klimaforschung steckt Statistik. Warum sie wichtige Belege für den menschgemachten Klimawandel liefert und kein Grund für Zweifel ist, erklärt Dr. Christian Franzke in dieser Kolumne.

Ein Editorial von Dr. Christian Franzke, Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit

“It's late in July and it is really cold outside in New York. Where the hell is GLOBAL WARMING??? We need some fast! It's now CLIMATE CHANGE” – Donald J. Trump (@realDonaldTrump) July 29, 2014

Der globale Klimawandel ist wieder in den Medien präsent: Im Juni vergangenen Jahres hatte der amerikanische Präsident angekündigt, dass die USA den Pariser Klimavertrag der Vereinten Nationen aufkündigen werden. Dieser Vertrag hat zum Ziel, die globale Klimaerwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius, besser noch auf 1,5 Grad, zu begrenzen. Donald Trump und Teile seiner Regierung leugnen die Existenz der globalen Klimaerwärmung. Andere Teile der US-Regierung, vor allem das Militär, nehmen den Klimawandel und seine Sicherheitsrisiken dagegen sehr ernst.

Erwärmung seit 1975 deutlich angezogen

Das Klima hat sich bereits erwärmt. Dies wissen wir durch Analysen von Wetterbeobachtungen und Klimamodellsimulationen. Die Statistik ist dabei eine der bedeutendsten Erkenntnisquellen der Klimaforschung. Denn obwohl wir geographisch und zeitlich niemals vollständige Messdaten haben werden, können wir mit Hilfe der Statistik diese fehlenden Daten ermitteln. So lassen sich aktuelle und frühere Zustände des Klimasystems darstellen und zukünftige Entwicklungen einordnen.

Die globale Erwärmung berechnen wir Klimaforscher aus der so genannten global gemittelten Temperatur der Erdoberfläche. Dieser Wert ergibt sich aus dem Durchschnitt aller vorhandenen Temperaturdaten von Land- und Ozeanoberfläche zu einem bestimmten Zeitpunkt. So zeigt sich zum Beispiel, dass 2016 das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen war. Die globale Temperatur lag mit 0,94 Grad Celsius beinahe ein Grad über dem Mittelwert des gesamten 20ten Jahrhunderts. Gleichzeitig hat die Erwärmung seit 1975 deutlich angezogen: Zwei Drittel des Temperaturanstiegs passierten in den letzten 40 Jahren, wobei es jedes Jahrzehnt 0,15 bis 0,2 Grad Celsius wärmer wurde. Durch statistische Analysen dieser Zeitreihe lässt sich der Klimawandel also bestimmen und quantifizieren.

Solch ein globaler Mittelwert für die Temperatur ist hilfreich, da er komplexe Änderungen in einer einzelnen Zeitreihe erfasst. Mit bloßem Auge lässt sich die Erwärmung des Klimas ablesen. Aber die Zeitreihe enthält auch Unsicherheiten. Ursache dafür ist zum Beispiel ein unterschiedlich dichtes Netz von Messstationen. Es gibt sehr viele Wetterstationen in Europa und den USA, aber recht wenige in Afrika oder den polaren Regionen. Die Ozeantemperatur kann wiederum nur in Regionen mit regelmäßigem Schiffsverkehr flächendeckend erhoben werden. Doch gerade in der Arktis, von der kaum Messdaten vorliegen, steigen die Temperaturen am schnellsten.

Trump: Klimawandel in New York 2014 nicht zu spüren

Mit statistischen Methoden können wir die Temperatur in solchen Regionen abschätzen. Diese Rechnungen beinhalten Unsicherheiten. Doch sie lassen sich exakt beziffern und werden wiederum in die folgenden Rechnungen einbezogen. So erhalten wir einerseits den wahrscheinlichsten Temperaturwert an einem Ort und gleichzeitig auch die Spannbreite seiner möglichen Abweichung. Die Spannbreite ist dabei ein Maß für das Vertrauen in den ermittelten Temperaturwert: Je enger die Spanne ist, umso näher kommt der Wert der Realität.

Dies ist ein großer Vorteil der Statistik. Auch wenn wir mit Wahrscheinlichkeiten rechnen, können wir alle Unsicherheiten systematisch berücksichtigen. So wird stets deutlich, welcher Wert wie sicher ist. Die Statistik erlaubt uns, dies ganz genau zu quantifizieren. Zurück zum Trump-Tweet: Wenn er beklagt, den Klimawandel im New Yorker Juli 2014 nicht zu spüren, hat er durchaus Recht. Denn die mittlere globale Temperatur ist kaum geeignet, das lokale Wetter zu beschreiben. Obwohl wir erwarten, dass bis zum Jahr 2100 die Temperaturen weltweit ansteigen werden, wird dieser Anstieg nicht überall gleichmäßig verlaufen. Denn unser Klimasystem ist räumlich und zeitlich sehr variabel.

In einigen Regionen kann es zunächst sogar kühler werden. Meeresströmungen zum Beispiel haben einen starken Einfluss auf die Temperatur der Erdoberfläche. Sie unterliegen aber gleichzeitig natürlichen Schwankungen: Temperatur-Rhythmen von Jahrzehnten bis zu Jahrhunderten. Diese Schwankungen treten unabhängig vom menschengemachten Klimawandel auf. In einer Kaltphase des Ozeans würden sie deshalb die globale Temperaturerhöhung abschwächen – also maskieren. Eine Warmphase würde den Klimawandel dagegen verstärken. So können immer wieder kalte Sommer und verschneite Winter auftreten, die einer globalen Erwärmung gefühlt widersprechen. Die Statistik sagt uns, dass solche Ereignisse durch den Klimawandel immer weniger wahrscheinlich werden, aber nicht unmöglich sind.

Stärke und Einfluss der Schwankungen lassen sich schwer abschätzen

Um den Trend von natürlichen Klimaschwankungen zu trennen benutzen wir das Signal-zu-Rauschen-Verhältnis. Die globale Erwärmung selbst bezeichnen wir dabei als Signal. Als Rauschen überlagern die natürlichen Klimaschwankungen dieses Signal. Zurzeit dominiert das Signal, also der Klimawandel, vor allem auf der globalen Skala das Geschehen. Regional und lokal bestimmt dagegen immer noch vorwiegend das Rauschen, also die natürlichen Schwankungen, unser Klima – auch wenn sich lokal durchaus schon Veränderungen zeigen. In Zukunft werden die vom Menschen verursachten Klimaänderungen jedoch immer eindeutiger aus dem Rauschen hervortreten, bis sie es schließlich komplett dominieren. Mit Hilfe der Statistik können wir auch dies beschreiben.

Doch woher wissen wir, welche Schwankungen natürlich sind? Viele natürliche Veränderungen des Klimas, wie zum Beispiel Dürreperioden, wirken auf sehr langen Zeitskalen. Manche Phasen hängen mit der Ozeanzirkulation zusammen und laufen über viele Jahrzehnte. Es gibt jedoch erst seit rund 1850 ausreichend Messwerte hierzu. Stärke und Einfluss dieser Schwankungen lassen sich also nur schwer abschätzen. Mehr Informationen aus unserer Klimavergangenheit liefern uns hingegen Proxy-Daten. Hier verraten Baumringe, Korallen, Pollen, Eisbohrkerne aber auch historische Schriften indirekt etwas über die Temperaturen in der Vergangenheit. Alle diese Daten werden statistisch ausgewertet, so dass wir eine historische Temperaturzeitreihe der letzten 2000 Jahre, und auch für sehr viel weiter zurückliegende Zeiträume, erstellen können.

So können wir den Klimawandel im Kontext natürlicher Schwankungen über einen sehr langen Zeitraum betrachten: Die Temperatur ist heute nicht nur höher als jemals in den letzten 2000 Jahren, die Erwärmung ist auch außerordentlich rasant vor sich gegangen. Vor allem die Geschwindigkeit macht Sorgen, denn Ökosysteme und Gesellschaften können sich nur langsam an neue Klimabedingungen anpassen.

Modelle und Experimente belegen menschliche Einflüsse

Doch wie stark beeinflussen natürliche Schwankungen das Klima im Vergleich zum Menschen? Mit komplexen Rechenmodellen lässt sich unser Klima auf Hochleistungscomputern simulieren. Diese Modelle beschreiben mit Hilfe physikalischer und chemischer Gesetze das Klimasystem möglichst genau. So simulieren wir zum Beispiel ein früheres Klima mit dem Treibhausgas Niveau von vor der Industrialisierung um 1750. In einem anderen Szenario erhöhen wir die Menge an Treibhausgasen so, wie sie heute tatsächlich vorliegt. Vergleichen wir beide, so zeigt sich deutlich, dass nur mit den zusätzlichen vom Menschen verursachten Emissionen die heute messbare Temperaturerhöhung erreicht werden kann. Ohne den Einfluss des Menschen wäre heute die globale Mitteltemperatur rund ein Grad Celsius kühler.

Manche Leugner des Klimawandels behaupten weiter, dass Kohlendioxid, auch als CO2 bezeichnet, gar nicht auf das Klima wirkt. Doch schon um 1896 belegte Svante Arrhenius (1859-1927) im Labor, wie wirksam CO2 als Treibhausgas ist – und sagte den Treibhauseffekt recht genau vorher. Er errechnete, dass eine Verdoppelung von CO2 in der Atmosphäre die Temperatur um vier Grad erhöhen würde. Heute gehen wir von einer Erhöhung zwischen 1,5 und 4,5 Grad Celsius aus, wie im fünften Sachstandbericht des Weltklimarats nachgelesen werden kann. Arrhenius Prognose liegt also am oberen Ende der Klimamodellvorhersagen, aber im Bereich des Möglichen. Mit einfachen grundlegenden Überlegungen kam er also schon vor mehr als 100 Jahren zu realistischen Vorhersagen.

Methode der Anti-Klima-Lobby

Der Begriff Unsicherheit suggeriert, dass Forscher sich ihrer Ergebnisse nicht sicher sind. Dies ist aber nicht der Fall. In der Statistik beschreibt der Begriff eben die Spanne innerhalb derer sich die Ergebnisse bewegen. Mit Hilfe der Statistik stellen wir eindeutig fest, dass sich in den letzten 150 Jahren das Klima schneller erwärmt hat als jemals zuvor. Und wir können belegen, dass dies auf das Konto der Menschen geht. Der amerikanische Präsident und andere Entscheider leugnen den globalen Klimawandel, obwohl es dafür keinen einzigen wissenschaftlichen Grund gibt. Ich bezeichne sie deshalb als Leugner – und nicht als Skeptiker.

Wissenschaftlich gesehen sind die Ursachen des Klimawandels geklärt, wie ich dargelegt habe. Das Ziel der Leugner ist nicht die wissenschaftliche Debatte voran zu bringen und unser Verständnis des Klimasystems zu verbessern, sondern Zweifel in der Bevölkerung zu säen. Die Leugner, es sind nur sehr wenige, aber sie gehen sehr aggressiv vor, übertreiben die Meinungsunterschiede in der wissenschaftlichen Diskussion damit die Bevölkerung sich fragt: Wenn sich die Experten uneinig sind warum sollen wir dann unseren Lebensstil ändern und der Staat viel Geld in den Klimaschutz investieren? Die Leugner wollen den falschen Eindruck erwecken, dass die Ursachen des Klimawandels noch nicht geklärt sind.

Die Leugner greifen dabei auf Methoden, und auch Lobbyorganisationen zurück, die schon die Tabakindustrie angewandt hat, um den Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs zu diskreditieren. Später wurden so auch die wissenschaftlichen Erkenntnisse zwischen schwefelhaltigen fossilen Brennstoffen (Kohle, Erdöl und Erdölprodukte) und dem „Sauren Regen“ (und auch zwischen Fluorchlorkohlenwasserstoffen und dem Ozonloch) in Zweifel gezogen, obwohl zu den jeweiligen Zeitpunkten die wissenschaftlichen Ursachen geklärt waren; unter anderem durch statistische Analysen.

 

Dieser Artikel ist zuerst im Wissenswert-Journal (Ausgabe 2/2017) erschienen.

 

Zum Autor
Dr. Christian Franzke ist Experte für Statistik und forscht am Centrum für Erdystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg zu Klimawandel, Klimavariabilität, Klimamodellierung sowie Wetter- und Klimarisiken.

 

12. März 2018

Bildnachweise: Dr. Christian Franzke © UHH/CEN

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