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So beobachten Forschende den Klimawandel im Grünen

Harry Vereecken © FZ Jülich, R.-U. Limbach

Wasser, Boden, Vegetation und Atmosphäre sind komplexe Systeme, die eng miteinander verknüpft sind. Seit zehn Jahren untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Forschungsprojekt TERENO quer über Deutschland verteilt, wie sich der Klimawandel auf die empfindlichen Austauschprozesse auswirkt. Professor Harry Vereecken koordiniert das Projekt und erklärt, warum das Geduld und ungewöhnliche Methoden erfordert. 

Ein Editorial von Prof. Dr. Harry Vereecken, Forschungszentrum Jülich

Früher konzentrierten sich Untersuchungen in der terrestrischen Umweltforschung häufig auf nur einen Aspekt, etwa nur auf Fragen zum Wasser, nur zum Boden, nur zur Vegetation oder nur zur Atmosphäre. Aber diese vier Teile sind eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Wenn wir herausfinden wollen, wie unser terrestrisches System funktioniert und wie sich der globale Wandel auf dieses System auswirkt, dann müssen die Expertinnen und Experten aller verschiedenen Bereiche eng zusammenarbeiten.

Deshalb haben sich 2008 sechs Helmholtz-Zentren zusammengetan, um dafür unter dem Projektnamen TERENO (für TERrestrial ENvironmental Observatories) eine deutschlandweit einzigartige Beobachtungsplattform aufzubauen. Das Netzwerk umfasst vier große Observatorien in West-, Süd, Mittel- und Nordostdeutschland. Sie wurden mit modernen Messgeräten ausgestattet, um Treibhausgase wie Kohlendioxid oder Lachgas, Niederschlag, Verdunstung, Wasserpegel von Flüssen, Temperatur und viele andere Parameter bis hin zu Biodiversitätsparametern zu erfassen. 

Zu den Messgeräten gehört auch ein großes Netzwerk von Lysimetern. Das sind rund 1,50 Meter große Metallzylinder, die mit Erde gefüllt und mit zahlreichen Sensoren ausgestattet sind. Mit den 126 Lysimetern können wir den Klimawandel auf regionaler Ebene simulieren. So haben wir mehrere Lysimeter an andere Standorte versetzt und zwar immer in das Klima, das für das jeweilige Ursprungsgebiet prognostiziert wird – beispielsweise aus den klima-sensiblen kalten und feuchten Alpen in die regenreiche, aber wärmere Niederrheinische Bucht mit Atlantikklima. 

 So wollen wir langfristig Eindrücke gewinnen, wie Böden auf künftige Klimaänderungen reagieren. Dazu benötigen wir Langzeitdaten, die wir etwa mit diesem Projekt seit zehn Jahren sammeln. Denn nur mit Daten über längere Zeiträume können wir langfristige Trends von kurzzeitigen Schwankungen oder Zufallsergebnissen unterscheiden. Außerdem helfen uns Langzeitdaten, unsere Computermodelle zu überprüfen, um bessere Zukunftsprognosen zu erstellen. 

Und es gibt bereits spannende Zwischenergebnisse. Mit den vielen Lysimetern ist es uns gelungen, erstmals den Anteil von Tau und Raureif am Niederschlag präzise zu messen. Er bewegt sich an den verschiedenen Standorten zwischen 4,5 und 6 Prozent. Noch spielt Tau in feuchten Gebieten wie Deutschland keine große Rolle. Anders in trockeneren Gebieten, in denen Tau eine wichtige Wasserquelle für Pflanzen ist. Da wir in Deutschland trockenere und wärmere Klimaszenarien erwarten, wird die Frage sein: Wie wird sich der Tau-Anteil am Niederschlag entwickeln, wird die Bedeutung von Tau zunehmen? Ein Problem dabei: Wir wissen zwar, wie sich Tau generell bildet, aber es konnte noch nicht eindeutig geklärt werden, ob Tau aus Wasser, aus dem Boden, aus Pflanzen oder anderen Quellen entsteht. 

Eine weitere wichtige Klimavariable, die im Fokus von unserem Projekt steht, ist die Bodenfeuchte. Sie ist nicht nur wichtig für Pflanzen und Landwirtschaft, sondern auch ein entscheidender Faktor für globale und regionale Klimamodelle. Allerdings kann die Bodenfeuchte innerhalb weniger Quadratzentimeter, aber auch innerhalb eines Tages stark variieren. Messungen sind extrem aufwändig, Abschätzungen etwa aus Satellitendaten fehleranfällig. Für unsere Beobachtungen setzen wir eine neue, sehr effektive Methode ein, um die Bodenfeuchte zu erfassen: Stationäre und mobile Sensoren messen die Anzahl der Neutronen in der Luft. Diese entstehen durch die kosmische Strahlung, die auf die Erde trifft. Der Boden reflektiert die Neutronen. Das Entscheidende: Je feuchter ein Boden, desto weniger Neutronen werden reflektiert. Dank der präzisen Messungen konnten wir etwa helfen, Bodenfeuchte-Berechnungen aus Satellitendaten der europäischen und der US-amerikanischen Raumfahrtbehörden ESA und NASA zu verbessern.

Wir wissen natürlich, dass es noch eine Reihe ungeklärter Fragen gibt und wir noch mehr über die sich gegenseitig beeinflussenden Prozesse herausfinden müssen. Aber mit TERENO haben wir eine wichtige Grundlage geschaffen, um hier voranzukommen. Damit die gesamte Umweltforschung davon profitiert, stellen wir die Geräte und die gesammelten Daten allen interessierten Universitäten und Forschungseinrichtungen zur Verfügung. Denn nur mit Kooperation und Austausch auf nationaler und internationaler Ebene wird es gelingen, die Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen und Anpassungsstrategien zu entwickeln. Deshalb freue ich mich auch auf unsere zweite internationale Konferenz, die im Herbst in Berlin stattfindet.

 

Zum Autor
Der Bodenforscher Harry Vereecken ist seit 2000 Direktor am Forschungszentrum Jülich, Institut für Bio- und Geowissenschaft, Bereich Agrosphäre (IBG-3) und Professor am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er ist Experte für Stofftransport in Böden und Grundwasser sowie seit 2008 Koordinator der Helmholtz-Initiative TERENO

 

TERENO-Mitglieder 

 

TERENO-Konferenz
Internationale Konferenz findet vom 8. bis 12. Oktober 2018 in Berlin statt. Mehr Informationen auf der Website.

 

17. Juli 2018

Bildnachweis: Harry Vereecken © FZ Jülich, R.-U. Limbach

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