Column - On the Subject

Zeit für neue Wege in der Klimapolitik

© Dr. Maximilian Jungmann, HCE

Dass die Weltklimakonferenz, COP 27, im ägyptischen Sharm El-Sheik im November 2022 nicht an die Aufbruchstimmung der vorjährigen COP 26 in Glasgow anknüpfen konnte, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Das ergebnisarme Abschlussdokument hinterlässt die internationale Klimagemeinschaft angesichts weiter steigender globaler Emissionen frustriert bis ratlos. Aber Aufgeben ist keine Alternative, findet der Politikwissenschaftler Max Jungmann und stellt Überlegungen zu neuen Wegen der internationalen Zusammenarbeit an.

Ein Editorial von Dr. Maximilian Jungmann, Heidelberg Center for the Environment (HCE)

Kurz vor dem Ende der Verhandlungen drängte unter anderem die Europäische Union darauf, Rückschritte im globalen Kampf gegen den Klimawandel, insbesondere im Vergleich zu den Ergebnissen von Glasgow, zu verhindern. Zwar gelang dies in einigen Bereichen, wozu beispielsweise das Festhalten am 1,5 Grad Ziel zählte, doch statt einer klaren Ansage zum kompletten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gab es im Abschlussdokument ein indirektes Bekenntnis zum Erdgas.

Das ursprünglich ausgegebene Ziel der ägyptischen COP-Präsidentschaft, von der Ambition zur konkreten Umsetzung zu kommen, konnte ganz klar nicht eingelöst werden. Stattdessen herrschte weitgehend Stillstand. Zwar hatte die Gemeinschaft an Zielen wie dem der geteilten, aber differenzierten Verantwortung (Common But Differentiated Responsibility), festgehalten, aber schon an einem der wenigen konkreten Resultate der Konferenz, der Einrichtung eines internationalen Fonds zum Umgang mit Schäden und Verlusten, wird deutlich, woran es hapert: Sobald es um konkrete Beiträge und Forderungen geht, dominieren geopolitische Interessen gegenüber der Bereitschaft, funktionierende Mechanismen einzuführen. Seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens im Jahr 2015, arbeiten die Verhandlungsstaaten an dessen Umsetzung – beispielsweise über Finanzierungsmechanismen oder klare Standards zur Berichterstattung über den nationalen Fortschritt. Bislang ohne den Durchbruch, den die Weltgemeinschaft mit Blick auf das verbleibende Budget zur Erreichung des 1,5 Grad Ziels dringend benötigt.

Wenn man die Strukturen und Prozesse der Klimaverhandlungen beobachtet, wird immer deutlicher, dass es für einen wesentlichen Fortschritt neue Wege der Zusammenarbeit braucht. Das heißt aus meiner Sicht nicht, dass die Weltklimakonferenz abgeschafft werden sollte, sondern, dass sie durch weitere schlagkräftige Initiativen ergänzt werden muss. Das beinhaltet sowohl sogenannte Koalitionen der Willigen, als auch stärkere Initiativen auf verschiedenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Ebenen. So wird beispielsweise die Rolle von Städten im Kampf gegen den Klimawandel von immer größerer Bedeutung. Das spiegelt sich unter anderem in der Etablierung von Städtenetzwerken wie C40 oder dem Global Covenant of Mayors wider. In der Politikwissenschaft sprechen wir deshalb mittlerweile von Polycentric Climate Governance, also Klimapolitik, die auf vielen parallelen und sich gegenseitig beeinflussenden Ebenen stattfindet. Aus der Wissenschaft heraus werden stetig neue Instrumente entwickelt, um hierfür entscheidungsrelevante Informationen zur Verfügung zu stellen, wie beispielsweise hochauflösende Treibhausgasemissionsdaten, die es erlauben, in Stadtviertel zu zoomen und bislang unsichtbare Emissionen sichtbar zu machen.

Zahlreiche Unternehmen haben inzwischen verstanden, dass das Engagement des privaten Sektors für das Erreichen der Klimaziele ausschlaggebend sein wird und sind bereit zu investieren. Wenn die Politik die Weichen so stellt, dass beispielsweise Lieferanten nur noch dann Abnehmer finden, wenn sie nachhaltige Geschäftspraktiken verfolgen und – wie in Sharm El-Sheikh angedeutet – Zugang zu Kapital von der Erfüllung strikter Nachhaltigkeitskriterien abhängt, könnte der bislang zaghafte Spaziergang zur Dekarbonisierung unseres Wirtschaftens zu einem dynamischen Wettbewerb werden, bei dem Nachhaltigkeit zum Vorteil für alle Akteure wird und Klimaziele wieder in Sichtweite rücken.

 

Zum Autor

Dr. Maximilian Jungmann ist Politikwissenschaftler im interdisziplinären Climate Action Science Projekt des Heidelberg Center for the Environment (HCE ), einem Zusammenschluss von Klimaforscher:innen an der Universität Heidelberg. Er nimmt seit Jahren als offizieller Beobachter an internationalen Klimakonferenzen teil und reflektiert seine Erfahrungen auf der 27. Weltklimakonferenz (COP 27) in Sharm El-Sheikh, Ägypten.

 

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05. Dezember 2022

Bildnachweis: Dr. Maximilian Jungmann

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