Klima-Staatssekretärin Jennifer Morgan, Meeresforscher Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner, der ägyptische Botschafter Khaled Galal Abdelhamid und viele andere hochkarätige Vertreter:innen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft bereicherten das zur Tradition gewordene Briefing im Vorfeld der Weltklimakonferenz. Um die 200 Gäste aus Presse, Nichtregierungsorganisationen und dem diplomatischen Corps waren am 28. Oktober in den Weltsaal des Auswärtigen Amts gekommen, um sich auf die COP 27 vorzubereiten. Die 27. Weltklimakonferenz wird zwischen dem 6. November und dem 18. November im ägyptischen Sharm el Sheikh abgehalten und soll den Klimaschutz-Ambitionen der Länder neuen Schwung verleihen sowie ein Zeichen der Solidarität mit den Verwundbarsten aussenden.
Ihre Vorzeichen sind jedoch alles andere als einfach. „Wir befinden uns in einem disruptiven Moment aufgrund einer Verschiebung in der Geopolitik“, diagnostizierte Jennifer Morgan, Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amts für Klimadiplomatie, gleich zu Beginn ihrer eröffnenden Rede. Gründe seien der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, aber auch das Tempo, mit der die Klimakrise voranschreitet. Denn nach wie vor ist sie der Überzeugung: „Die Klimakrise ist das größte Sicherheitsrisiko weltweit“. Daher müsse die COP 27 trotz des denkbar schwierigen Kontextes die weltweite Transformation einfordern.
Zentral ist für Morgan dabei die Stärkung des Vertrauens in den multilateralen Prozess. Deutschland sieht sie in der Rolle des Brückenbauers. Morgan bekannte sich in ihrer Rede zu dem Versprechen der Industrieländer, Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz bereitzustellen. Und sie gab noch ein weiteres Versprechen ab: „Wir als EU werden unsere Klimaziele selbstverständlich weiter anschärfen“, so Morgan. Wohl mit Blick auf die prekäre Situation für Menschenrechte und Opposition im diesjährigen COP-Gastgeberland Ägypten betonte sie zudem: „Wir setzen uns dafür ein, dass die Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle spielt und mitdiskutieren darf“.
Bevor auch der ägyptische Botschafter in Deutschland zu Wort kam, stellten die beiden IPCC-Autor:innen Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner und Silvie Kreibiehl wichtige Erkenntnisse des 6. Sachstandsberichts des Weltklimarats (IPCC) vor. Der Bericht besteht aus drei Teilen, die innerhalb der letzten beiden Jahre veröffentlicht wurden.
Pörtner zeigte die vielfältigen Schäden auf, welche die Klimakrise sowohl der Gesundheit von Ökosystemen und der Gesundheit des Planeten insgesamt als auch der menschlichen Gesundheit zufügt. „Wir haben bereits heute Regionen in den Tropen, in denen es für Menschen schwierig ist, zu überleben“, so Pörtner. 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen lebten in Regionen mit hoher Vulnerabilität und insbesondere in den Entwicklungsländern in den Tropen seien ohne entschlossene Klimapolitik hohe Sterberaten zu erwarten.
Nachdrücklich betonte Pörtner die Relevanz des 1,5°C-Ziels. Während der IPCC im Rahmen eines 1,5°-Szenarios in vielen Bereichen ein mittleres bis hohes Risiko prognostiziere, seinen im Rahmen eines 2°C-Szenarios alle Bereiche konsistent einem hohen Risiko ausgesetzt. Pörtner appellierte: „Wir brauchen eine Transformation, die alle Teile der Gesellschaft und unseren Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen betrifft.“ Der Meeresökologe ist Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe II „Folgen des Klimawandels, Anpassung und Verwundbarkeit“.
Video der Vorträge von Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner und Silvie Kreibiehl zu den IPCC Berichten 2022
Silvie Kreibiehl machte zu Beginn ihrer daran anschließenden Ausführungen die Bedeutung des sechsten Sachstandsberichts deutlich: „Wahrscheinlich ist er der letzte Bericht, der valide ein 1,5 Grad-Szenario aufzeigen kann – wenngleich nur noch mit einer 50prozentigen Wahrscheinlichkeit.“ Sie ist eine der Autor:innen des 15. Kapitels des dritten Teils des Berichts, der Investitionen und Finanzierung behandelt. Kreibiehl sagte: „Vermeidung war noch nie so günstig und so einfach“. Dennoch gebe es nach wie vor massive Lücken in der Klimafinanzierung. So seien die Finanzflüsse für klimafreundliche Technologien derzeit noch drei bis sechs Mal niedriger als sie zwischen 2020 und 2030 durchschnittlich sein müssten, um den Klimawandel unter 1,5 bis 2 Grad zu halten. Dabei könne die Menschheit innerhalb eines 1,5 Grad-Szenarios insgesamt nur noch so viele Treibhausgase ausstoßen, wie sie es in den letzten zehn Jahren getan hat.
Von zentraler Bedeutung für den globalen Klimaschutz ist für Kreibiehl die finanzielle Unterstützung von Entwicklungsländern. „Ohne eine gerechte Transformation stellen wir die Machbarkeit in Frage“, so die Diplom-Kauffrau, die seit drei Jahren Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation Germanwatch ist.
Dann richtete der ägyptische Botschafter Khaled Galal Abdelhamid im Namen des Gastgeberlands einige Worte an das Publikum. Er bekannte sich zu der existenziellen Relevanz der Klimadiplomatie: „Wir könnten an einem ‚point of no return‘ sein“, sagte Abdelhamid, und fügte an: „Entweder handeln wir gemeinsam, oder wir leiden“. Insbesondere Afrika habe schwer mit den Auswirkungen der Klimakrise zu kämpfen. Beinahe alle Regionen auf dem Kontinent seien vom Klimawandel betroffen.
Mit Blick auf die Vorbereitung der Konferenz sagte er: „Wir haben unser Bestes getan, um für eine freundliche Umgebung zu sorgen“, nahm aber auch alle anderen Länder in die Verantwortung: „Wir sitzen alle im selben Boot“. Er äußerte zudem Kritik daran, dass die Industriestaaten ihr Versprechen, armen Ländern ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz- und Anpassung zur Verfügung zu stellen, bislang nicht einhalten.
Das „Team Deutschland“ repräsentierten die vier Teilnehmer:innen des daran anschließenden Podiums. Sie vertraten jeweils eines der für internationale Klimapolitik zuständigen Bundesministerien und unterstrichen unisono die Vorteile einer solchen Teamlösung. Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, sagte beispielsweise: „Wir haben dadurch am Kabinettstisch eine ganz andere Energie“. Für den Klimaschutz in Deutschland und der EU nimmt für ihn das Europäische Emissionshandelssystems einen hohen Stellenwert ein. Dr. Christiane Rohleder, Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz plädierte für eine Verknüpfung zur Biodiversitätskrise und Verschmutzungskrise: „Uns ist es wichtig, dass wir die Klimakrise als Teil der dreifachen globalen Krise sehen, die wir haben.“
Dr. Jürgen Zattler, Ministerialdirektor im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, sprach sich dafür aus, Entwicklungsländer in ihren Klimaschutzbemühungen zu unterstützen und betonte: „Historisch gehören wir immer noch zu den Hauptverursachern. Im Moment verändert sich das Bild. Trotzdem erkennen wir die Verantwortung an“, so Zattler. Jennifer Morgan war für das Podium erneut auf der Bühne. Auch auf der Weltklimakonferenz ist sie dieses Jahr in einer Doppelrolle: Nicht nur als Teil der deutschen Delegation, sondern gleichzeitig gemeinsam mit der chilenischen Umweltministerin, Maisa Rojas, als Vermittlerin und Koordinatorin für den Themenkomplex „loss and damage“ - also für die Frage, wie mit klimawandelbedingten Verlusten und Schäden umgegangen wird und inwiefern Industrieländer Entwicklungsländer dabei unterstützen sollten. „Momentan sind die Ministerin und ich dabei, zuzuhören“, erzählte sie, und sagte: „Es ist sehr präsent, wie dringend es ist, eine Bereitschaft für Lösungen zu finden“.
Das Thema „loss and damage“ behandelte dann auch die abschließende Podiumsdiskussion. In den Redebeiträgen der vier Panelist:innen spielte vor allem der Gerechtigkeitsaspekt eine große Rolle. „Die Gerechtigkeitsperspektive ist nicht nur komplex, sondern sehr zentral“, so Dr. Jan Wilkens, Politikwissenschaftler im Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change and Society“ der Universität Hamburg. Er meint: „Die Frage ist nicht nur, wie wir mit Technik dekarbonisieren, sondern auch, wie wir die Zivilgesellschaft mit einbinden können“.
Für Sabine Minninger, Klimaexpertin für Brot für die Welt besteht kein Zweifel: „Wir brauchen eine Verantwortungsübernahme der Verursacherstaaten der Klimakrise. Für die Schäden, die sie gemacht haben, müssen sie geradestehen“. Umwelt-Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen illustrierte indes die wichtige Rolle der Justiz für den Klimaschutz: „Wir gewinnen inzwischen 2 von 3 Klimaklagen weltweit. Es ist vollkommen klar: Klima ist Menschenrecht.“ Und laut Peter Hilliges von der Kreditanstalt für Wiederaufbau sind „Versicherungen ein Baustein für den Umgang mit Klimarisiken“ – eine klimagerechte Politik könnten sie aber nicht ersetzen. Denn häufig auftretende Schäden oder langfristige Schäden, zum Beispiel bedingt durch einen Anstieg des Meeresspiegels, könne man jedoch nicht versichern. „Der Versicherer sagt: Das geht nicht mehr auf“, so Hilliges.
Bildnachweis: DKK, S. Roehl
28. Oktober 2022