Die Veröffentlichung fand im Februar 2023 große Beachtung in der Presse: Eine Gruppe internationaler und interdisziplinärer Forscher:innen hatte im zweiten Hamburg Climate Future Outlook die globale Politik, Wirtschaft und Gesellschaft analysiert, um eine zentral wichtige Frage zu beantworten: Ist es derzeit noch realistisch, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen?
Das Ergebnis zeigt, wie dringlich ambitioniertes und schnelles Handeln für Klimaschutz und Anpassung mittlerweile ist. Denn so, wie sich Wirtschaft, Gesellschaft und Politik derzeit verhalten, kann die durchschnittliche Erderwärmung nicht plausibel bei 1,5 Grad gestoppt werden. Ohne einen umfassenden, schnellen und ambitionierten gesellschaftlichen Wandel sind die Pariser Klimaziele nicht machbar.
Das Risiko, dass Kipppunkte im Erdsystem diese Ziele zunichte machen, schätzten die Autor:innen dagegen als gering ein – anders als in der öffentlichen und medialen Diskussion oft dargestellt. „Es ist ausgeschlossen, dass das Auftauen des Permafrosts zu einer unkontrollierten Klimaerwärmung führt“, erklärte Prof. Dr. Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie, einer der Hauptautoren des Hamburg Climate Futures Outlook. Damit ist keinerlei Entwarnung hinsichtlich der Risiken durch regionale Wirkungen, wie etwa dem Anstieg von Dürren, Überschwemmungen oder dem Artensterben, verbunden. Aber in Bezug auf die Erwärmung gilt: es ist nie zu spät für ambitionierten Klimaschutz, denn jede vermiedene Erwärmung senkt die Risiken.
Mit Vertreter:innen aus dem Bundestag diskutierten Marotzke und drei weitere Koautor:innen – Prof. Dr. Anita Engels, Dr. Anna Pagnone und Dr. Eduardo Gonçalves Gresse – die Ergebnisse und Konsequenzen des Hamburg Climate Futures Outlook 2023 für die Politik bei einem parlamentarischen Frühstück in Berlin am 14. März. Eingeladen hatten das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) und das Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS („Climate, Climatic Change, and Society“) der Universität Hamburg.
„Wichtig ist zu sagen, es reicht nicht – auch in Deutschland noch nicht“, sagte Anita Engels von der Universität Hamburg. „Die sozialen Treiber zeigen aber sehr genau, wo angesetzt werden kann und wo eben auch Politik eine sehr wichtige Rolle spielt.“ Die Politik könne die Wege zur Klimaneutralität durch Regulierung und verlässliche Rahmenbedingungen für Unternehmen und Konsument:innen fördern, so die Sozialwissenschaftlerin. Dies sei auch international im Verbund der Vereinten Nationen zentral.
Die Hamburger Zukunftsstudie zeigt, dass es einen nie dagewesenen Umbau der Gesellschaft mit massiven Anstrengungen auf allen Ebenen braucht, um die Erderwärmung auf möglichst unter zwei Grad zu begrenzen: Von öffentlichem Druck über Klimaklagen bis zu klimafreundlichen Produkten und starken, verlässlichen politischen Regeln müssen die tiefgreifenden Veränderungen global, gleichzeitig und deutlich ambitionierter stattfinden.
Die Anforderungen und Dimensionen des Umbaus seien in der Menschheitsgeschichte einmalig und nicht mit anderen Transformationen, wie beispielsweise der industriellen Revolution durch Nutzung fossiler Energien, vergleichbar, die über Jahrhunderte und in Schüben stattfinden konnte, betonte der Wissenschaftler Marotzke.
Für den nächsten Hamburg Climate Future Outlook wollen die Forscher:innen ihren Klimaausblick noch stärker theoretisch untermauern, empirisch verfeinern und genauer untersuchen, wie sich die zehn gesellschaftlichen Treiber gegenseitig beeinflussen, also etwa verstärken oder blockieren. Durch eine Förderung der Mercator-Stiftung wird es außerdem ab kommendem Jahr möglich sein, zusätzlich einen nationalen Hamburg Climate Futures Outlook zu erarbeiten. Dieser werde unter Anwendung der gleichen Methoden die gesellschaftlichen Voraussetzungen in Deutschland beleuchten.
Die 62 Wissenschaftler:innen, die den Hamburg Climate Future Outlook 2023 unter Federführung von sechs Hauptautor:innen verfasst haben, kommen aus verschiedenen Teilen der Welt und einer Vielfalt an Fachdisziplinen – von der Physik bis zur Ethnologie. Die Herausgeber:innen setzen auf das Konzept diverser Wissensformen und wollen die in der Studie repräsentierte Vielfalt weiter ausbauen.