11/09/17
Stellungnahme des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK) zur UN-Klimakonferenz in Bonn
Der UN-Klimagipfel in Bonn sendet auch eine Botschaft nach Berlin, wo jetzt die Parteien über die Bildung einer neuen Bundesregierung verhandeln.
Wetterextreme und Meeresspiegelanstieg bedrohen Menschenleben, Natur sowie Hab und Gut. Risiken für weltweite Lieferketten oder zunehmende Migration sind weitere Folgen. Das trifft auch Deutschland. Klimaschutz ist Teil einer präventiven Politik für Stabilität und Sicherheit. Damit die weltweite Klimastabilisierung gelingt, wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart, braucht es nationale Vorbilder wie Deutschland, das sich große Verdienste beim Voranbringen des Klimaschutzes erworben hat – und umfassende Klimaforschung. Klimaschutz sichert Deutschlands Rolle als technologischer Vorreiter und Exportnation.
Der Zug in die postfossile Welt hat sich längst in Bewegung gesetzt, und es liegt in Deutschlands eigenem Interesse, dabei eine Vorreiterrolle zu spielen. Energie aus erneuerbaren Quellen ist heute schon wettbewerbsfähig. Die größten Solarkraftwerke, die konkurrenzlos billigen Strom produzieren, stehen heute in Indien oder am Arabischen Golf; China investiert rasant in Erneuerbare Energien. Und das ist erst der Anfang. So wie die deutsche Automobilindustrie heute schon den Innovationsdruck aus China zu spüren bekommt, könnte es bald auch anderen Branchen gehen.
Deutschland wird sein Klimaziel für 2020 deutlich verfehlen – voraussichtlich wird es die Treibhausgasemissionen nur um 32 statt der versprochenen 40 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern. Damit rücken die Klimaziele für die Jahre 2030 (mindestens 55 Prozent) sowie für 2050 (80 bis 95 Prozent) in weite Ferne.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind heute fast überall auf der Welt sichtbar, und mehr noch: für immer mehr Menschen am eigenen Leib erfahrbar. Wetterextreme wie Starkniederschläge oder Hitzewellen nehmen in vielen Regionen zu. Der Anstieg der Meeresspiegel ist bereits für Millionen von Menschen eine reale Gefahr. In Deutschland nehmen die Hitzetage zu. Wissenschaftlich gesichert ist, dass sich diese Entwicklungen in der Zukunft weiter verstärken werden.
Deutschland hat seine Klimaziele in den Pariser Klimavertrag eingebracht. Danach sollte der Ausstoß von Treibhausgasen innerhalb kürzester Frist reduziert werden. Tatsächlich stagnieren die Emissionen in Deutschland seit acht Jahren auf hohem Niveau – trotz des Ausbaus der Erneuerbaren Energien, die im vergangenen Jahr 29 Prozent am Strommix ausmachten.
Aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften kann nur ein rascher Kohleausstieg gewährleisten, das zugesagte Volumen an Treibhausgasen innerhalb der vereinbarten Zeit einzusparen, denn die Kohleverstromung liefert den Löwenanteil der schädlichen Treibhausgasemissionen, weltweit wie in Deutschland. Der Kohleausstieg sollte durch weitere Maßnahmen wie die Verkehrs- und Agrarwende unterstützt werden, damit auch das noch ambitioniertere Ziel der Treibhausgasneutralität im deutschen Klimaschutzplan 2050 erreicht werden kann. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat jüngst einen Fahrplan zum Kohleausstieg veröffentlicht, der den Unternehmen und Beschäftigten Planungssicherheit und einen sozialverträglichen Ausstiegspfad bietet.
Noch existieren weltweit Pläne für mehr als 1000 neue Kohlekraftwerke. Wenn sie gebaut würden, wäre alles, was in Paris beschlossen wurde, zunichte. Die meisten dieser Kraftwerke rechnen sich betriebswirtschaftlich ohnehin nur, weil sie subventioniert werden. Würden ihnen auch noch die Gesundheits- und Umweltkosten zugerechnet, wäre sofort klar, dass Kohle keine kostengünstige Lösung für die Energieprobleme der Welt ist. Wenn Deutschland in den Schwellenländern dafür werben will, die Ausbaupläne für Kohlekraftwerke einzustellen, dann sollte es auch bereit sein voranzugehen und die eigenen Kohlemeiler zügig abschalten.
Die weltweiten CO2-Emissionen stiegen in den vergangenen drei Jahren nur deshalb nicht, weil insbesondere die großen Emittenten China und die USA bei der Energieerzeugung Kohle durch Wind und Sonne sowie das klimafreundlichere Erdgas ersetzt haben. China wird nach derzeitigem Stand über 100 geplante Kohlekraftwerke nicht mehr bauen.
Gerade auch die Digitalisierung kann helfen, dezentral erzeugten Strom aus Sonne und Wind intelligent zu verteilen und zu speichern – hier bieten sich Chancen für Spitzentechnologie in unserem Land. Das bietet langfristig Arbeitsplatzchancen für viele Menschen im Land wie auch eine nachhaltige Entwicklungsperspektive für viele Staaten. Auch für Unternehmen gilt: Wer die Transformation schnell umsetzt, wird nicht nur einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sondern die eigene wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit verbessern und langfristig sichern.
Klimafreundliche Technologien sind Motor für Innovation und Arbeitsplätze. Strom aus Sonne und Wind ist vielerorts bereits billiger als neue Kohlekraftwerke oder Atomstrom.
Der Pariser Klimavertrag ist das Versprechen an unsere Kinder und Enkel, die Erwärmung der Erdoberfläche deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten. Für die heutige Generation erwächst daraus die Verpflichtung, jetzt schnell zu handeln. Denn das Ziel von Paris ist nur zu erreichen, wenn die weltweiten Energiesysteme in den nächsten zehn Jahren konsequent umgebaut werden. Wenn die CO2-Emissionen auf dem heutigen Niveau verharren und der Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius liegen soll, dann dürfte die Weltgemeinschaft in etwa 20 Jahren kein CO2 mehr ausstoßen. Es ist also dringend, auf nationaler und internationaler Ebene zu handeln und die Weichen für eine schnelle Verringerung der Treibhausgasemissionen zu stellen.
Weiter steigende Temperaturen führen zum Abschmelzen von Gletschern und Eisschilden, einem weiteren Anstieg der Meeresspiegel und einer Zunahme von Hitzewellen. Hier stoßen wir innerhalb weniger Jahrzehnte etwas an, das sich dann unaufhaltsam über viele Jahrhunderte fortsetzen wird. Davon betroffen sind insbesondere Inselstaaten wie die Republik Fidschi, zumal in dieser Region die Pegel seit Beginn der Satellitenmessungen 1992 doppelt so schnell steigen wie im globalen Durchschnitt. Aber auch die Küsten der USA sind bedroht, wie die Millionenmetropole Miami im US-Bundesstaat Florida, die heute schon mit den Folgen der steigenden Pegel zu kämpfen hat – und auf lange Sicht auch die deutschen Küsten.
In einer Marktwirtschaft braucht es dazu neue gesetzliche und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, die Unternehmen und Verbrauchern Anreize bieten, ihren Energie- und Ressourcenverbrauch möglichst schnell zu drosseln. Das zentrale Element, das Wirtschaftswissenschaftler schon lange fordern, ist ein Preis für die Emissionen von Treibhausgasen, allgemein als CO2-Preis bezeichnet. Ein solcher Preis ist der dringend benötigte Beschleuniger der Energiewende in Deutschland und weltweit. Auch ohne ihn ist die Energiewende bereits auf dem Weg, aber sie ist viel zu langsam. Gerade in einem klassischen Industrieland wie Deutschland hilft ein CO2-Preis, der deutlich über den heutigen Preisen liegen sollte, die postfossile Wirtschaft rechtzeitig zu entwickeln. Insbesondere mit Blick auf das europäische Emissionshandelssystem könnte ein solcher CO2-Preis eine wichtige Lenkungswirkung entfalten.
Schon die heutige „Ein-Grad-Welt“ ist eine große Herausforderung, der insbesondere die Armen der Welt nicht gewachsen sind. Die Folgen sind Ernterisiken verbunden mit steigenden Lebensmittelpreisen, wachsende Gefahren für Gesundheit durch Infektionskrankheiten, Hitzestress sowie Gefährdung von Hab und Gut durch Starkregen und Überschwemmungen. Klimaschutz ist Politik für die Mehrheit der Menschen.
Am 13. November hat Hans Joachim Schellnhuber zusammen mit UNFCCC-Generalsekretärin Patricia Espinosa, Wendy Broadgate von Future Earth, und Johan Rockström von der Earth League „10 Must-Knows zum Klimawandel“ auf der COP 23 vorgestellt.