Nach der Corona-Krise geht es verstärkt um Widerstandsfähigkeit
30.03.2020 | Zur Sache
30.03.2020 | Zur Sache
Zur Bewältigung der Corona-Krise müssen wir alle unsere Kräfte bündeln, Klimawandel und Klimaschutz sind in den Hintergrund gerückt. Das muss jetzt so sein. Für die Zeit nach der Pandemie ist es dafür umso wichtiger, die Klimaschutzpolitik zu stärken, statt etwa den europäischen Green Deal zu schwächen oder wieder mehr Kohle zu fördern.
Ein Editorial von Marie-Luise Beck, Deutsches Klima-Konsortium
Der Coronavirus SARS-CoV-2 hat Nachrichten zum Klimawandel und zur Klimapolitik zu Recht aus den Schlagzeilen gefegt. Schlechte Zeiten für die Klimakommunikation? Zurzeit ja. Denn jetzt geht es um die Bewältigung der Pandemie. Niemand weiß, wann sie zu Ende sein wird und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass uns der Höhepunkt an Infektionszahlen, Todesfällen und Engpässen erst noch bevorsteht.
Aber zum Krisenmanagement gehört nicht nur die unmittelbare Bekämpfung der Krise und das Zurückdrängen der Infektionen, sondern jetzt schon die Planung der Maßnahmen nach der Krise – etwa die umfangreichen Programme zur Unterstützung der Wirtschaft. Zusätzlich muss Krisenmanagement Antworten auf folgenden Fragen finden: Wie kann einer solchen Krise in Zukunft vorgebeugt werden? Wie kann für eine bessere Bewältigung vorgesorgt werden? Diese Fragen zu Prävention und Vorsorge haben es besonders schwer, wenn die Sicherheit des Alltags wieder eingekehrt ist.
Die Wucht der gegenwärtigen Pandemie, der noch vor wenigen Wochen unvorstellbare Ausnahmenzustand für immer mehr Länder, lassen heute schon erahnen, dass es bis zur Rückkehr in den Alltag lange dauern wird und Fragen nach Prävention und Vorsorge nicht so schnell verdrängt werden können. Etwa weil eine angemessene Bevorratung und Vorbereitung für eine solche Krise trotz wiederkehrender Warnungen von Expertinnen und Experten aus Katastrophenschutz und Medizin nicht existierte – nachzulesen in der Risikoanalyse „Pandemie durch Virus Modi-SARS“ von 2012 oder im Grünbuch Öffentliche Sicherheit von 2007. Dass der Bund allenfalls empfehlen und nur die Länder anordnen dürfen, dass die EU den erratischen innereuropäischen Grenzschließungen hilflos zusehen muss und ihr Zivilschutzmechanismus ins Leere läuft, dass die globalisierte Produktion von Gütern zu Knappheiten führt, ja, dass überhaupt die Hypermobilität der Gegenwart zu Brandbeschleunigern der Krise wurden – all das wird dafür sorgen, dass die Welt nach der Krise nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren wird.
Auch die hoffentlich baldige Entwicklung eines Impfstoffes wird die Erfahrung fragil gewordener Gewissheiten und temporärer gesellschaftlicher Teilzusammenbrüche nicht einfach vergessen machen. Wer nach grundsätzlichen Lösungen sucht, die das Problem an der Wurzel packen, wird an dem Ziel einer nachhaltigen – und damit auch widerstandsfähigeren – Wirtschafts- und Lebensweise nicht vorbeikommen.
Wenn sich die Weltgemeinschaft zukünftig vor solchen Krisen schützen will, muss sie das Risiko minimieren, Vorsorge treffen, muss Resilienz und wirtschaftliche Effizienz neu ausbalancieren. Die konkrete Erfahrung dieses Seuchenausbruchs kann uns für die Klimakrise viel verdeutlichen. Beide Prozesse verlaufen exponentiell. Das heißt, es gibt ein „zu spät“, dann kann die Krise nur noch unter hohen Kosten und Opfern bewältigt werden.
Der exponentielle Verlauf des Anstiegs des Meeresspiegels, der Hitzeextreme, der Hochwasser oder eben auch der Seuchenausbreitung, wird regelmäßig unterschätzt, denn in der Regel denken und handeln Menschen linear. Exponentielle Verläufe überfordern uns, sie sind kontra-intuitiv.
Drei Tage innerhalb der letzten sechs Wochen verdeutlichen die exponentielle Dynamik:
Der Meeresspiegel steigt aufgrund der Erderwärmung pro Jahr um durchschnittlich 3,6 Millimeter, insgesamt ist er im 20. Jahrhundert bereits um etwa 15 Zentimeter angestiegen. Diese Zahl löst weder allzu viel Furcht noch Aufmerksamkeit aus. Das Beunruhigende – das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgrund der Klimaphysik erwartet haben, ist aber: Der Meeresspiegelanstieg hat sich bereits beschleunigt und steigt 2,5-mal schneller als der Durchschnittstrend von 1901 bis 1990. Aber noch sind Diskussion und Reaktion gemischt, denn vielen erscheint die absolute Zahl als nicht allzu beunruhigend. Warnungen aus der Wirtschaft vor zu hohen Kosten, vor Konsumeinbrüchen und Arbeitslosigkeit beeindrucken, wer übermäßigen Konsum und Lebensstile kritisiert, ist ein Spielverderber. Dabei wären jetzt drastische Maßnahmen nötig, um die Kurve abzuflachen, um Zeit zu gewinnen.
Wenn sich die Weltgemeinschaft zukünftig vor solchen Krisen schützen will, muss sie das Risiko minimieren, Vorsorge treffen, muss Resilienz und wirtschaftliche Effizienz neu ausbalancieren. Die konkrete Erfahrung dieses Seuchenausbruchs kann uns für die Klimakrise viel verdeutlichen. Beide Prozesse verlaufen exponentiell. Das heißt, es gibt ein „zu spät“, dann kann die Krise nur noch unter hohen Kosten und Opfern bewältigt werden.
Der exponentielle Verlauf des Anstiegs des Meeresspiegels, der Hitzeextreme, der Hochwasser oder eben auch der Seuchenausbreitung, wird regelmäßig unterschätzt, denn in der Regel denken und handeln Menschen linear. Exponentielle Verläufe überfordern uns, sie sind kontra-intuitiv.
Drei Tage innerhalb der letzten sechs Wochen verdeutlichen die exponentielle Dynamik:
Der Meeresspiegel steigt aufgrund der Erderwärmung pro Jahr um durchschnittlich 3,6 Millimeter, insgesamt ist er im 20. Jahrhundert bereits um etwa 15 Zentimeter angestiegen. Diese Zahl löst weder allzu viel Furcht noch Aufmerksamkeit aus. Das Beunruhigende – das Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgrund der Klimaphysik erwartet haben, ist aber: Der Meeresspiegelanstieg hat sich bereits beschleunigt und steigt 2,5-mal schneller als der Durchschnittstrend von 1901 bis 1990. Aber noch sind Diskussion und Reaktion gemischt, denn vielen erscheint die absolute Zahl als nicht allzu beunruhigend. Warnungen aus der Wirtschaft vor zu hohen Kosten, vor Konsumeinbrüchen und Arbeitslosigkeit beeindrucken, wer übermäßigen Konsum und Lebensstile kritisiert, ist ein Spielverderber. Dabei wären jetzt drastische Maßnahmen nötig, um die Kurve abzuflachen, um Zeit zu gewinnen.
Wie Krisen auch unsere reiche und hochtechnisierte Welt ins Wanken bringen können, erleben wir gerade. Aus dieser Erfahrung können wir lernen, die schleichenden Risiken mit exponentiellen Verläufen mit Hilfe der Wissenschaft angemessen einzuschätzen. Mit diesem Blick wird deutlich, dass der Ruf aus der Wirtschaft nach Stundung des CO2-Preises oder der Landwirtschaft nach Verschiebung der Düngemittelverordnung zwar kurzfristig verständlich ist, uns jedoch langfristig nicht für die Zukunft fit macht, sondern schneller in die nächste Krise treibt. Die jetzt so notwendige Unterstützung der Wirtschaft kann nicht eine schlichte Wiederherstellung des Altbekannten zum Ziel haben. Gerade jetzt brauchen wir den Kohleausstieg, das Klimapaket, den europäischen Green Deal, brauchen Veränderungen für eine nachhaltige Gesellschaft, um vorbereitet zu sein und mehr Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen zu entwickeln.
Im DKK haben wir erlebt, wie die Erfahrung des Hitzesommers 2018 die Wahrnehmung des Klimawandels und der wissenschaftsbasierten Klimakommunikation verändert hat. Fridays for Future, Scientists for Future, der Erfolg des K3 Kongresses zu Klimakommunikation und vieles andere waren eine direkte Reaktion darauf. Die Pandemie ist ein ungleich folgenschwereres Ereignis. Die Zeit für Klimakommunikation wird wiederkommen – mit stärkeren Argumenten als zuvor.
Marie-Luise Beck ist seit 2012 Geschäftsführerin des Deutschen Klima-Konsortiums. Zuvor steuerte sie den Aufbau der Parlamentsinitiative „Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit“, dessen Vorstand sie heute angehört. Bei der Blaulichtkonferenz der SPD-Bundestagsfraktion im vergangenen Jahr sprach sie in der Keynote über die Herausforderungen des Katastrophenschutzes durch die Folgen des Klimawandels (Mitschnitt auf YouTube ansehen).
30. März 2020
Bildnachweis: DKK, Stephan Röhl