Zunahme von Katastrophen durch den Klimawandel?
05.02.2025 | Zur Sache
05.02.2025 | Zur Sache
Gerade noch war die Flutkatastrophe in Spanien Ende Oktober 2024 omnipräsent: Zerstörungen und Schäden der Infrastruktur; Verzweiflung und Trauer der Menschen; Wut auf Entscheidungsträgerinnen und -träger; Reflexionen, darüber, die Bevölkerung sei zu spät gewarnt worden. All diese Eindrücke wurden zu Beginn des neuen Jahres überlagert von den schweren Flächenbränden in Kalifornien. Unmittelbar begleitet wurde diese nunmehr neuere Katastrophe von der Diskussion, welchen Anteil die klimawandelbedingte Zunahme von Hitze und Dürre einerseits sowie das menschliche Verhalten andererseits hinsichtlich des Ausmaßes der Brände haben. Auch kam in diesem Zusammenhang die Frage auf, inwieweit künftig mit noch ausgedehnteren saisonalen Bränden solcher Art gerechnet werden kann.
Ein Editorial von Laurens M. Bouwer, Climate Service Center Germany (GERICS), Helmholtz-Zentrum Hereon, Hamburg und Stefanie Trümper, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)
Im Rückblick auf die letzten Jahre sind die beiden genannten Extremereignisse im Grunde zwar lediglich Elemente einer ganzen Reihe wetterbedingter Naturkatastrophen weltweit, die allesamt Rekordschäden verursacht haben. Gleichwohl führen sie uns einmal mehr eine Vulnerabilität von Haushalten, Unternehmen und Infrastrukturen vor Augen, die maßgeblich zurückzuführen ist auf Naturgewalten und Faktoren, die durch Wetterextreme begünstigt und von menschlichen Einflüssen mit verursacht werden.
Auch in Deutschland haben die Auswirkungen jüngster Extremwetterereignisse, etwa das Hochwasser im Winter 2023 oder die heftigen Starkregen im Sommer 2024, gezeigt, wie verwundbar einzelne Regionen sind. Bereits seit dem Jahr 2000 sind hierzulande eine deutliche Zunahme wetterbedingter Naturkatastrophen und extremwetterbedingter Schäden, die entsprechende Kosten nach sich ziehen, zu beobachten. Mit steigender Erderwärmung werden auch mehr Wetterextreme auftreten und die Schadenswahrscheinlichkeit zunehmen, sofern keine entsprechenden Präventions- und Anpassungsmaßnahmen getroffen werden.
Gleichzeitig gibt es viele Bemühungen, die Widerstandsfähigkeit der deutschen Gesellschaft zu stärken. Im Dezember 2023 wurde das Klimaanpassungsgesetz verabschiedet, welches Länder und Kommunen auch im Sinne einer Vorsorge gegen Wetterextreme dazu verpflichtet, Klimarisiken besser einzuschätzen und Konzepte für effektive Anpassung zu erstellen und umzusetzen. Darüber hinaus umfasst der im Juli 2024 von der Bundesregierung veröffentlichte Umsetzungsplan der 2022 beschlossenen Resilienzstrategie für den Bund 420 Maßnahmen zu Prävention, Vorsorge und Bewältigung von Katastrophen. Der Umsetzungsplan sieht ebenfalls vor, dass sich alle Sektoren bzw. Politikfelder und administrativen Ebenen im Hinblick auf diverse Extremereignisse, auch solche, die aufgrund des Klimawandels zunehmen oder sich verschärfen, planungspolitisch geeigneter aufstellen müssen. Die Erstellung eines ersten Fortschrittsberichts zur Umsetzung der Resilienzstrategie wird für das zweite Quartal 2025 erwartet. Auch die Nationale Plattform Resilienz hat für März 2025 ein Dokument in Aussicht gestellt. Es soll konkrete Handlungsempfehlungen zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen in Deutschland beinhalten und der neuen Regierung Prioritäten für die Stärkung der nationalen Resilienz aufzeigen.
Um wetterbedingte Naturkatastrophen insgesamt besser zu verstehen und einschätzen zu können, ist das Risiko, d. h. das mögliche Auftreten negativer Folgen für menschliche oder ökologische Systeme, entscheidend. Das Risiko für eine Katastrophe basiert auf einem komplexen Zusammenspiel von Naturgefahren, Exposition und Vulnerabilität. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist die Erinnerung an Wetterextreme und Katastrophen. Oftmals geraten die Ereignisse zu schnell in Vergessenheit, wodurch das Bewusstsein für Naturgefahren schwindet und für Katastrophenvorsorge oder Risikobewertung relevante Wissensbestände nicht mehr ergänzt oder (re)aktualisiert werden.
Durch den Klimawandel wird ein umfassendes Katastrophenrisikomanagement unverzichtbar. Um dieses gemeinsam gewinnbringend zu gestalten, kann es hilfreich sein, wenn wir uns einige wesentliche Zusammenhängen bewusstmachen:
• Die Folgen des Klimawandels sind in Deutschland bereits zunehmend spürbar geworden und wirken sich auch in Form von Extremwetterereignissen negativ aus. Wir haben jedoch auf verschiedenen Ebenen Möglichkeiten, dem vorzubeugen und Schäden entgegenzuwirken, indem wir rechtzeitig die bestmöglichen Rahmenbedingungen für Prävention und Anpassung schaffen.
• Für die Stärkung der Resilienz der Gesellschaft ist eine dezidiertere Auseinandersetzung mit der Exposition und potenziellen Verwundbarkeit zentral. Um die Prävention von Katastrophen und die Maßnahmen zur Klimaanpassung zielgerichtet zu gestalten und umzusetzen, müssen Akteure aus den Bereichen Kritische Infrastruktur, Dienstleistungen und Daseinsvorsorge stärker eingebunden werden.
• Extremwetterereignisse und Katastrophen fallen zu schnell dem Vergessen anheim und folglich geht das mit ihnen verbundene und für heutige und künftige Zwecke relevante Handlungswissen verloren. Daher lohnt es sich, vergangene Wetterextreme und Katastrophen auch über Generationen hinweg, auf dem „Erinnerungsradar“ zu behalten und in unserer Erinnerungskultur zu verankern.
• Gleichzeitig müssen Kompetenzen aufgebaut werden, Projektionen über Klimawandel und zukünftige Extremwetterereignisse zu verstehen. Die dafür erforderlichen strukturellen und personellen Kapazitäten sollten insbesondere in Kommunen und Regionen so aufgebaut und eingesetzt werden, dass Beteiligte und Betroffene z.B. durch Klimadienstleistungen oder spezifische Klimainformationen in ihren Planungen, Entscheidungen und in ihrem Handeln bestmöglich wissensbasiert unterstützt werden.
Mehr Hintergründe zu dem Thema Klimawandel und Naturkatastrophen mit Blick auf Vorsorge sind nachzulesen in dem folgenden Beitrag, erschienen in der Publikation „Resiliente Infrastrukturen“ vom Deutschen Roten Kreuz.
Bouwer, L.M. & Trümper, S. (2024). Zunahme der Katastrophen durch den Klimawandel? In: Max, M. (Ed.). Resiliente Infrastrukturen: Perspektiven und Handlungsempfehlungen für ein vernetztes Resilienzmanagement. Erich Schmidt Verlag, Berlin, pp. 84-101. https://esv.info/978-3-503-23842-2
05.02.2025
Bildnachweis Dr. Laurens Bouwer: Deltares
Bildnachweis Dr. Stefanie Trümper: Helmholtz-Zentrum Hereon
Dr. Laurens Bouwer ist Wissenschaftler am Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Hereon. Er ist Experte für die Bewertung von Klima- und Extremwetterrisiken. Er leitet Forschungsprojekte über Risiken und Anpassung, darunter die Entwicklung von Folgen- und Schadensmodellen sowie von Ansätzen für die Anpassungsplanung. Nebenseiner Forschungstätigkeit hat er nationale und lokale Regierungen, internationale Organisationen wie die Weltbank sowie Versicherungsunternehmen bei der Bewältigung dieser Risiken beraten. Darüber hinaus hat er als Leitautor an mehreren Berichten des Weltklimarates (IPCC) mitgewirkt, darunter der Dritte und Fünfte Sachstandsbericht, der Sonderbericht über Extreme (SREX) und der Sonderbericht über Ozeane und Kryosphäre (SROCC).
Dr. Stefanie Trümper war bis Ende 2023 wissenschaftliche Referentin für die Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 (wpn2030) am Climate Service Center Germany (GERICS) des Helmholtz-Zentrums Hereon und wechselte Anfang 2024 in den Bereich der strategischen Universitätsentwicklung an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Zuvor war sie Referentin und Projektmitarbeiterin in wissenschaftlichen und wissenschaftsnahen Einrichtungen, u.a. beim Deutschen Klima-Konsortium (DKK), wo sie Konzeption und Koordination des zweiten K3 Kongresses zu Klimakommunikation leitete. Als promovierte Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin interessiert sie sich insb. für die strategische Bedeutung und Gestaltung umsetzungsorientierter Wissenschaftskommunikation und wissenschaftsbasierter Politikberatung zu nachhaltiger Entwicklung.