„Der neue IPCC-Bericht wird wie kein anderer zuvor zeigen, wie sehr sich die Welt aufgrund des Klimawandels schon verändert hat und mit welchen katastrophalen Klimarisiken wir in Zukunft rechnen müssen – je nachdem, wie schnell und wie weit wir den Ausstoß der Treibhausgase senken“, sagte Professor Hans-Otto Pörtner beim Pressegespräch des Deutschen Klima-Konsortiums. „Auch bei uns hier in Deutschland ist der Klimawandel zunehmend spürbar: Denken wir an das Absterben eines Teils unserer Wälder, die landwirtschaftlichen Verluste aufgrund der Dürre der vergangenen Sommer, besonders aber an die Toten der Ahr-Flut und die Tausenden Hitzetoten.“
Pörtner ist Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut und hat als Ko-Vorsitzender die Erstellung des Berichts von Arbeitsgruppe II über Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit zum Sechsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) mit geleitet. Er berichtete von den fünf Jahren Arbeit, in denen er gemeinsam mit 270 Autorinnen und Autoren aus der ganzen Welt über 34.000 klimawissenschaftliche Publikationen ausgewertet hat. Am Montag beginnt der letzte Schritt: die Verabschiedung im IPCC-Plenum der Mitgliedstaaten. Läuft alles nach Plan, wird der finale Bericht am 28. Februar veröffentlicht.
„Es geht im Bericht um ganz Grundsätzliches: Die Möglichkeiten der Natur für unser Überleben zu sorgen, ändern sich mit dem Klimawandel enorm – Hunger nimmt zu, Wasser wird knapp. Aber wir sind dem Klimawandel als Gesellschaft nicht ausgeliefert. Wir müssen den Ausstoß von Treibhausgasen senken. Gleichzeitig müssen wir uns an jetzt schon unvermeidbare Folgen anpassen und für künftige Risiken vorsorgen. Veränderter Lebensmittelkonsum und Wassersparsamkeit in der Landwirtschaft sind Beispiele. Die Anpassungsmöglichkeiten haben aber auch klare Grenzen – zu hohe Temperaturen schaden Menschen, Tieren und Pflanzen“, erklärte Professor Josef Settele.
Dem Biodiversitätsexperten vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung ist es besonders wichtig, Klima- und Biodiversitätsschutz nicht gegeneinander auszuspielen, sondern zusammenzudenken: „Der Erhalt und Wiederaufbau gesunder Ökosysteme, zum Beispiel durch Schutz und Aufbau naturnaher Wälder sowie Renaturierung von Mooren, bietet nicht nur Raum für biologische Vielfalt, sondern leistet auch einen Beitrag zum Klimaschutz, da so Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden wird.“ Dabei sollten die Klimaschutzpotenziale natürlicher Senken nicht überschätzt werden, gibt Settele zu bedenken – weiter-so und ein bisschen Naturschutz reichten bei Weitem nicht aus. „Wir brauchen einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel, um für kommende Generationen eine lebenswerte Zukunft zu sichern“, sagte Settele weiter.
Der Weltklimarat analysiert im neuen Bericht aber nicht nur Folgen und Anpassungsmöglichkeiten, sondern nimmt auch die Verwundbarkeit der Gesellschaft auf einer globalen wie auch regionalen Ebene in den Blick. Dabei stehen Städte und Ballungsgebiete im Fokus, weil dort besonders viele Menschen leben. Professorin Daniela Jacob weiß: „Der Klimawandel geschieht vor unserer Haustür und stellt insbesondere unsere Städte und Kommunen vor neue Herausforderungen.“ Als Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS) kennt sie die regionalen Klima-Modellierungen für Deutschland und unterstützt Politik, Behörden und Gesellschaft bei der Transformation zu einer klimaneutralen Lebensweise.
Städte tragen nicht nur wesentlich zum Klimawandel bei, sondern die Bewohnerinnen und Bewohner, Infrastruktur und Wirtschaft bekommen auch die Folgen besonders stark zu spüren. Jacob ist es dabei wichtig, den Mut nicht zu verlieren: „Die Folgen des Klimawandels sind zwar immens, aber wir können damit umgehen, wir können jetzt handeln – und wir können den Klimawandel entscheidend bremsen. Deshalb wird der Bericht von IPCC-Arbeitsgruppe II über Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit in ein paar Wochen um den von IPCC-Arbeitsgruppe III über Minderung ergänzt. Nur wenn wir beide Aspekte – Anpassung und Minderung – berücksichtigen, sichern wir unsere Zukunft.“
9. Februar 2022