Die Landwirtschaft hat eine schlechte Klimabilanz. Um das zu ändern, hilft Landwirten eine genaue Analyse der Treibhausgasemissionen. Mit Online-Tools zur Emissionsmodellierung funktioniert das schon sehr gut, ist für die Landwirte im Alltag aber aufwendig. Dr. Daniel Spengler arbeitet daran, dies mithilfe von Satellitendaten zu vereinfachen.
Ein Editorial von Dr. Daniel Spengler, Deutsches GeoForschungsZentrum
Die Weltbevölkerung wächst. Laut Prognose der Vereinten Nationen werden im Jahr 2050 rund 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Das heißt, auch die Nahrungsmittelproduktion muss wachsen. Die landwirtschaftlichen Betriebe rund um die Welt müssen bis dahin rund 70 Prozent mehr Nahrungsmittel produzieren, hat die Welternährungsorganisation FAO berechnet. Das hat auch großen Einfluss auf das Klima: Denn knapp ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen geht auf das Konto der Landwirtschaft, wenn die Emissionen einbezogen werden, die bei Herstellung, Vermarktung, Zubereitung und Verzehr von Lebensmitteln entstehen. Und die sollen bis 2050 nicht steigen, sondern deutlich reduziert werden, wenn sich die Welt – wie im Übereinkommen von Paris vereinbart und im fünften IPCC-Bericht berechnet – bis Ende des Jahrhunderts nicht um mehr als zwei Grad erwärmen soll.
Bevor jedoch beim Anbau, Ernten und Verarbeiten etwa von Getreide der Ausstoß von Treibhausgasen minimiert werden kann, muss zuerst eine genaue Analyse stattfinden. Genauso wie Bürgerinnen und Bürger im Netz die Möglichkeit haben ihren Klima-Fußabdruck zu berechnen, können das Landwirtinnen und Landwirte für ihre Felder und Ställe. Dafür gibt es zum Beispiel das Online-System „Cool Farm Tool“. Große internationale Unternehmen haben es in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Aberdeen entwickelt, da es für die Unternehmen immer wichtiger wird, die komplette Klimabilanz ihrer Produkte vom Feld bis zum Supermarktregal berechnen zu können. Hauptsächlich wird es bis jetzt in Großbritannien und den USA verwendet sowie in landwirtschaftlichen Betrieben, die diese großen Unternehmen beliefern.
Mit diesem System arbeite auch ich als Wissenschaftler am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam. Mir geht es darum, die Berechnung der Treibhausgasemissionen noch genauer und deutlich einfacher in der alltäglichen Nutzung zu machen. Denn bis jetzt sammelt das „Cool Farm Tool“ nur die vom Landwirt selbst eingegebenen Informationen. Dieser muss zum Beispiel regelmäßig eintragen, welche Pflanzen er anbaut, wie viele Tiere er hält und mit wie viel Kraftstoff er seine Landmaschinen betankt. Das ist für den Landwirt sehr zeitaufwendig.
Gemeinsam mit dem Team eines digitalen Angebots zur landwirtschaftlichen Betriebsführung, dem Farm-Management-System AgriCircle, hatten wir die Idee, die Berechnung der Treibhausgasemissionen einfach in das System zu integrieren. Der Landwirt bekommt also durch minimal mehr Eingaben in das Programm, das er sowieso verwendet, zusätzlich Informationen zu den Treibhausgasemissionen. Das funktioniert nachträglich für ein Anbaujahr und spezifisch für ein Feld oder zukünftig sogar für Teilflächen. Im kommenden Herbst soll diese Optimierung in Deutschland und der Schweiz verfügbar sein.
Mein Beitrag als Wissenschaftler des GFZ, der im Bereich Fernerkundung arbeitet, ist es Satellitendaten so zu verarbeiten, dass daraus Informationen zur Vegetation und zum Boden abgeleitet werden können. Diese können dann automatisch in AgriCircle integriert werden. Das Start-up aus der Schweiz hat daran großes Interesse und wir können über das System die Landwirte direkt erreichen und die Analyse der Treibhausgasemissionen vereinfachen. Dafür arbeite ich mit den Daten aus großen Erdbeobachtungsprogrammen der Europäischen Weltraumagentur ESA oder der US-Weltraumbehörde NASA, die in internationalen Forschungsprogrammen immer bessere und ausführlichere Informationen über die Erde sammeln. Konkret handelt es sich in diesem Fall um die Satellitenbilddaten der Sentinel-2-Mission der ESA.
Zukünftig ist durch die Einbeziehung von Fernerkundungsdaten, Wetterprognosen und Wachstums- und Ertragsmodellen noch viel Raum für die Optimierung solcher Tools. Angefangen von der Empfehlung alternativer Anbau- und Bewirtschaftungsformen bis hin zu einer auf minimale Treibhausgasemissionen ausgerichteten Bewirtschaftung einzelner Teilflächen eines Feldes oder einer optimierten Düngung ist vieles denkbar.
Zum Autor
Dr. Daniel Spengler beschäftigt sich am Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ mit Fernerkundung. Das Erweiterungsprojekt hat den Titel „Cool Farm Tool Smart“ und wird in Zusammenarbeit mit der Cool Farm Alliance und der Farm-Management-Software AgriCircle entwickelt. Informationen zur Erdbeobachtung mit Satelliten gibt es bei der ESA.
9. März 2017
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