Broschüre des Deutschen Klima-Konsortiums und des Konsortiums Deutsche Meeresforschung
Spekulationen über den Golfstrom gibt es viele. Was aber ist der wissenschaftliche Kenntnisstand? Neun Expertinnen und Experten fassen ihn zusammen. Eine der Kernaussagen: In den kommenden Jahren droht kein Abbruch der Golfstromzirkulation, ein Grund zur Entwarnung ist das aber nicht.
Die Golfstromzirkulation wirkt wie eine Klimaanlage für Europa, sie mildert Temperaturspitzen nach unten und oben ab. Das Strömungssystem trägt elementar zum moderaten Klima Nordeuropas bei, da es warmes Wasser aus den Subtropen bis in die Arktis transportiert. Diese wichtige Rolle für unsere Gesellschaft wird in Büchern oder Filmen aufgegriffen – etwa in Roland Emmerichs Eiszeitszenario „The Day After Tomorrow“. Eine so extreme Abkühlung befürchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht, ein plötzliches Ausbleiben der Golfstromzirkulation ist nach dem Stand der Forschung äußerst unwahrscheinlich. Für die Zukunft rechnen die Forschenden aber mit einer Abschwächung. Das klingt weniger spektakulär, hätte jedoch spürbare Folgen: der Meeresspiegelanstieg könnte sich regional zusätzlich verstärken, die Niederschlagsmuster würden sich verschieben und die Ökosysteme sowie Fischbestände im Atlantik wären betroffen.
Die Publikation des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK) und des Konsortiums Deutsche Meeresforschung (KDM) erklärt die Forschung hinter diesen Ergebnissen und wirft einen Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Golfstromzirkulation. Sie ist auf Deutsch und Englisch verfügbar.
Eine wissenschaftlich gesicherte Auskunft über einen langfristigen Abschwächungstrend seit 1900 kann es nicht geben, da nicht ausreichend Beobachtungsdaten verfügbar sind. In den vergangenen 20 Jahren haben die Forscherinnen und Forscher den Ozean dank moderner Methoden und Technologien deutlich genauer analysieren können. Diese Zeitspanne reicht jedoch nicht, um Klimatrends abzuleiten. Vielmehr haben sie festgestellt, dass die Golfstromzirkulation in den vergangenen 20 Jahren recht stabil war und viele natürliche Schwankungen zeigte. Diese natürliche Variabilität macht es noch schwerer, den möglicherweise schon vorhandenen menschlichen Einfluss auf die Golfstromzirkulation nachzuweisen.
Dies ist kein Grund zur Entwarnung. Wissenschaftlicher Konsens aus modellierenden Forschungsansätzen ist, dass eine deutliche Abschwächung der Golfstromzirkulation bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu erwarten ist. Wie stark diese genau sein wird, lässt sich schwer vorhersagen. Ob und wie stark sich die Golfstromzirkulation verändern wird, hängt in erster Linie davon ab, wie sich die anthropogenen Treibhausgasemissionen entwickeln werden. Wenn die Forschenden in den Klimamodellen mit dem sogenannte Worst-Case-Szenario des Weltklimarats IPCC rechnen, verringert sich die Golfstromzirkulation im Mittel über alle Modelle um etwa 30 Prozent. In diesem Szenario wird von einem ungebremsten Ausstoß an Treibhausgasen ausgegangen. Aber etwa das Schmelzen des Grönlandeises aufgrund des Klimawandels ist darin noch nicht berücksichtigt. Deshalb gilt eine der wichtigsten Forschungsfragen dem Einfluss des grönländischen Schmelzwassers auf die Golfstromzirkulation. Es kann die Umwälzzirkulation verlangsamen, wenn es in die Regionen mit Tiefenwasserbildung – quasi die Antriebszentren der Zirkulation – gelangt.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten in einer interdisziplinären Strategiegruppe von DKK und KDM zu Ozean und Klima zusammen und forschen an den Mitgliedsinstitutionen der beiden Wissenschaftsverbände: