„Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich weltweit. Auch in Deutschland, wo erst vergangene Woche eine Starkregenkatastrophe Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz in einem bisher ungekannten Ausmaß heimsuchte. Solche Extremwetter und ihre verheerenden Folgen für uns Menschen sind mit dem Klimawandel heute schon wahrscheinlicher geworden. Sie mahnen uns, die Klimaziele jetzt wirklich umzusetzen und uns nicht auf einen galoppierenden Klimawandel einzulassen“, sagte Professorin Astrid Kiendler-Scharr während des Pressegesprächs zum kommenden Bericht des Weltklimarats IPCC beim Deutschen Klima-Konsortium (DKK). Die Atmosphärenforscherin arbeitet am Forschungszentrum Jülich und ist Vorstandsvorsitzende des Wissenschaftsverbands der Klimaforschungseinrichtungen. Sie ergänzte: „Der neue Bericht wird mit umfassenden Ergebnissen der internationalen Klimaforschung untermauern, wie weitreichend und gravierend die Folgen des menschengemachten Klimawandels bereits sind.“
„Mit Klimamodellen können wir basierend auf naturwissenschaftlichen Gesetzen simulieren, wie sich das Klima auf der Erde in Zukunft entwickeln könnte. Und wir sehen auch, dass jetzt sehr gut zutrifft, was die Modelle früher berechnet haben. Klimamodelle sind also grundsätzlich sehr verlässlich, vor allem bezogen auf großräumige Veränderungen. Dennoch können wir keine Prognose treffen, wie das Klima in der Mitte des Jahrhunderts sein wird. Denn es ist der Mensch, der unberechenbar bleibt. Schaffen wir es, den Ausstoß von Treibhausgasen mit ambitioniertem Klimaschutz schnell zu stoppen oder lassen wir es weiterlaufen?“, sagte Professor Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Der Mensch ist immer noch der größte Unsicherheitsfaktor im Klimasystem.“ Deshalb werden im Weltklimabericht verschiedene mögliche Emissionsszenarien aufgefächert und wissenschaftlich bewertet. Die Expertinnen und Experten geben im Bericht jedoch keine Handlungsempfehlungen – das bleibt im IPCC-Prozess in der Verantwortung von Politik und Gesellschaft.
Weltweite Klimaneutralität bis spätestens Mitte des Jahrhunderts ist zentral, damit die Folgen des Klimawandels halbwegs beherrschbar bleiben. „Um den Temperaturanstieg zu stoppen und die Risiken für die nächsten Generationen zu verringern, müssen die globalen Treibhausgas-Emissionen in der Gesamtbilanz auf null sinken“, erklärte Dr. Hauke Schmidt vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. „Sogenannte Netto-Null-Emissionen beschreiben als Konzept, dass die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre nicht weiter ansteigt. Dies kann auch erreicht werden, wenn unvermeidbare Emissionen zum Beispiel aus der Landwirtschaft mit negativen Emissionen – also zusätzlichen Senken – ausgeglichen werden. Beispiele sind Aufforstung oder Speicherung von Kohlendioxid aus der Bioenergieproduktion im Untergrund.“ Ob wir die Ziele des Pariser Abkommens erreichen, die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, hängt davon ab, wie viel Kohlendioxid (CO2) die Menschheit noch ausstößt, bevor sie Netto-Null-Emissionen erreicht. Klar ist: Die dafür maximale Menge – das sogenannte CO2-Budget – ist begrenzt.
„Mir war es als Klimaforscherin wichtig, an der aufwendigen Erstellung des Berichts gemeinsam mit über 230 Kolleginnen und Kollegen aus 66 Ländern mitzuarbeiten, damit die Politik eine aktuelle und solide wissenschaftliche Basis für ihre Entscheidungen hat“, berichtet Kiendler-Scharr als Leitautorin des sechsten Kapitels zu kurzlebigen Klimaschadstoffen. Der erste Band des Sechsten Sachstandsberichts (AR6) wird von IPCC-Arbeitsgruppe I erstellt und am 9. August der Öffentlichkeit vorgestellt. Er fasst den aktuellen Stand zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels zusammen – etwa der Erwärmung und ihrer Folgen für Meeresspiegel, Arktis und Extremwetter. Er liefert ebenso einen umfassenden Überblick zu Klimaprojektionen für die Zukunft, möglichen Emissionsszenarien und dem verbleibenden CO2-Budget, um die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Die insgesamt drei Bände der regelmäßig erscheinenden Sachstandsberichte sind das wichtigste Ergebnis der Arbeit des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) und dienen seit mehr als 30 Jahren als Grundlage der nationalen und internationalen Klimapolitik.
21. Juli 2021