Parlamentarischer Abend

Welche Rolle hat Carbon Capture and Storage (CCS) im nationalen Klimaschutz?

Carbon Capture and Storage (CCS) wird derzeit auf politischer Ebene kontrovers diskutiert. Ein Diskussionspapier des Umweltbundesamtes aus diesem September gibt eine eingeschränkte Nutzungsempfehlung: Nur bei wirklich unvermeidbaren CO2-Emissionen sollte CCS genutzt werden. Es ist auf keinen Fall ein Allheilmittel für den Klimaschutz. Um die Chancen und Risiken von CCS zu diskutieren, hat das Deutsche Klima-Konsortium (DKK) und das Umweltbundesamt (UBA) am 17. Oktober zu einem parlamentarischen Abend eingeladen. Über 20 Gäste waren gekommen.

Professor Dirk Messner, Präsident des UBA, verdeutlicht in seinem Impuls, dass nach aktuellem Sachstand mit einem Überschreiten („Overshooting“) des 1,5°C-Ziels in den 2030er Jahren zu rechnen ist, und damit das Risiko irreversibler Kipppunkte weiter ansteige, wie beispielsweise das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes.

CCS in nationale Klimaschutz-Politiken zu integrieren hält Messner daher für geboten. Aufgrund nur geringer Forschung sei die Datengrundlage zu Potenzialen und Kapazitäten noch unzureichend. Zudem gebe es nur wenige CCS-Pilotprojekte; von einer Infrastruktur, die den zu erwartenden residualen Emissionen gerecht wird, sei Deutschland weit entfernt.

Der Präsident des UBA betont, dass der nationale Klimaschutz stets das Vermeiden der Entstehung von Emissionen – sprich, den Ausbau der Erneuerbaren Energien (EE) - priorisieren müsse. An zweiter Stelle müssten Ökosysteme und Biodiversität als natürliche Senken gestärkt werden. Und erst als dritte Priorität nennt Messner die Etablierung von CCS als technischer Senke.

Auch Dr. Nadine Mengis, Forscherin am GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, kommt zu der Einschätzung, dass CCS im nationalen Klimaschutz, nach der zu prioritisierenden Emissionsvermeidung, eine Rolle spielen muss. Sie weist allerdings auf die Doppel-Funktion von CCS hin, und rät zur Differenzierung, insbesondere bei der Anrechnung von CCS für die Erreichung der Klimaziele: Zum einen, kann fossiles CCS zur Reduktion unserer Rest-Emissionen beitragen. Zum anderen, ermöglicht CCS technologische CO2-Entnahmen (CDR, Carbon Dioxide Removal) zur Kompensation dieser Rest-Emissionen, und damit das Erreichen unseres Netto-Null-Zieles.

Mengis macht darauf aufmerksam, dass – anders als oft angenommen – geologische Senken in der Regel eine höhere Dauerhaftigkeit und geringere Störungsanfälligkeit aufweisen als Ökosystem-basierte Senken. Zudem sei die Müllverbrennung in Kombination mit CCS als Einstieg sinnvoll, um Forschung und Regulation von CCS voran zu bringen.

Lisa Badum, Bundestagsabgeordnete der Bündnis 90/Die Grünen, unterstreicht, dass CCS keine Frage mehr des „Ob“ ist, sondern des „Wie“ – denn schwer vermeidbare Restemissionen werden bleiben. Aus ihrer Sicht ist jedoch CCS, wenn es für die CO2-Minderung, statt zur Ölförderung angewandt werden soll, noch weitgehend unerforscht. Zudem mischen sich derzeit immer mehr Akteure in die Debatte ein, die Interessen der Wirtschaft und nicht aber die des Klimaschutzes verfolgen.

Badum stellt im UBA-Papier die Empfehlung infrage, die Abfallverbrennung als Startpunkt für CCS zu wählen. Dies könnte im Widerspruch zu kreislaufwirtschaftlichen Ambitionen stehen. Zudem sei es wichtig, dass Deutschland keine blaue Wasserstoffwirtschaft aufbaut; blauer Wasserstoff sei nur eine Übergangslösung.

Sie empfiehlt, die zulässige Menge an Restemission für Branchen kontinuierlich zu senken, damit die Industrie Einsparpotentiale nutzen könne. CCS sei zudem nur annähernd klimaneutral, da die Abscheidungsraten ca. 85 % betragen würden. Überdies dürfe die Übernutzung der Meere nicht außer Acht gelassen werden.

Lukas Köhler, Bundestagsabgeordneter der FDP, sieht im Speichern von CO2 vor allem Chancen. Am UBA-Papier kritisiert er, dass es die Risiken der Technologie zu sehr hervorhebt. Er beschreibt eine Nutzungskaskade: 1. Vermeiden von CO2, 2. Übrig gebliebenes CO2 so lang wie möglich nutzen (CCU; Carbon Capture and Utilization), 3. CO2 speichern (technische oder natürliche Senken). Besonders das Speichern von CO2 benötige unbedingt eine angepasste Gesetzgebung. Zudem müsse Deutschland das Londoner Protokoll ratifizieren, um CO2 beispielsweise nach Norwegen zur Speicherung zu transportieren.

Aus Sicht des FDP-Abgeordneten darf es keine zu enge Definition von „schwer vermeidbaren“ Emissionen geben. Die Schwervermeidbarkeit von CO2-Emissionen sollte anhand der Vermeidungskosten markwirtschaftlich ermittelt werden. Das bedeutet, dass Emissionen als „schwer vermeidbar“ gelten, sobald die Anwendung von CCU und CCS kostengünstiger ist als ihre Entstehung auf anderem Wege zu vermeiden. Übersteigt auch der CO2-Preis die Anwendungskosten von CCS/CCU, dürfte die Speicherung und Nutzung von CO2 zu einem wirkungsvollen Faktor in der Emissionsminderung werden.

An dieser Stelle gingen die Meinungen stark auseinander. Ein CO2-Preis, der die beschriebene Lenkungswirkung entfalten könne, wäre so hoch, dass er zu sozialen aber auch wirtschaftlichen Verwerfungen führen könne.

Kernaussagen:

  • Diskutanten sind sich einig, dass die Vermeidung von CO2 weiterhin oberste Priorität haben muss. Besonders Messner warnt davor, durch die CCS-Debatte die Dringlichkeit der CO2-Vermeidung aus den Augen zu verlieren.
  • Einigkeit herrschte auch insofern, dass es einen feststehenden Zeitplan und klare gesetzliche Rahmenbedingungen für CCS braucht. Abkommen wie das London Protokoll oder Gesetze wie das Kohlenstoffspeichergesetz (KSpG) müssten auf den Prüfstand.
  • Eine konkrete Vorstellung davon, was unter unvermeidlichen Restemissionen zu verstehen ist und wie sie auf der Zeitachse dynamisiert werden kann, wird rasch benötigt.
  • Uneinigkeit besteht bezüglich der Wahl der Abfallverbrennung als Startpunkt für CCS, der Auswahl der Politikinstrumente zur Handhabung der Restemissionen (ordnungsrechtliche versus marktbasierte Instrumente) sowie des Umgangs mit den Risiken.

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